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Aus tiefer Not schrei ich zu dir

Wer kennt schon die tiefe Not eines kleinen Jungen? Ehrlich gesagt: ich kenne sie!

Zum einen, weil in mir selbst immer noch ein kleiner Junge steckt (jetzt lachen Sie nicht los, ich meine das rein bildlich, nicht in Anspielung auf meine Körpergröße), zum anderen, weil ich ein fotografisches Gedächtnis hunderter Szenen aus meiner Kindheit habe.

Als ich heute morgen in der Frankfurter Rundschau von der tiefen Not eines kleinen Leidensgenossen las, sind zwei Erinnerungen aus der Tiefe meiner armen Kinderseele in mir hochgestiegen.

Tiefe Not

Was muss in diesem armen kleinen Jungen vorgegangen sein? Eingesperrt und zum Aufräumen verurteilt von einer brutalen Mutter.

Wahrscheinlich hatte sie ihm selbst noch geraten, falls er einmal entführt werden sollte (was heutzutage angeblich tagtäglich und hinter jeder Straßenecke passiert) einfach einen Zettel aus dem Fenster zu werfen, falls es eines gibt und er gerade etwas zu schreiben zur Hand hat.

Aber man denke auch an die arme alte Frau: die hätte glatt einen Herzkasper kriegen können.

Und was hätte passieren können, wenn die mutigen Männer vom SEK durchs Fenster hereingesprungen wären und auf die wahrscheinlich vor der verriegelten Tür ihres Sohnes geballert hätten?

Aber mein Mitgefühl gilt dem kleinen Jungen in seiner dunklen Kammer.
Denn auch ich war ein eingesperrtes Kind.

Nicht oft, bei uns gab es eher Prügel als Hausarrest. Aber mit Scghrecken erinnere ich mich an einen schönen Nachmittag – wohlgemerkt: draußen war es schön – als ich nicht nur Zimmerarrest bekommen hatte, sondern sogar ins Bett musste!

Der aufgeklärte Zeitgenosse, der reglmäßig seine Supernanny sieht, weiß natürlich, dass das pädagogisch gesehen eine Sünde ist. Man kann der kleinen Kinderseele wirklich dauerhaft Schaden zufügen, wenn man das Bett als Strafe einführt. Nicht nur, dass die Bälger dann abends sich weigern, in ihr Bettchen zu steigen, nein – viel schlimmer:

es kann zu einer dauerhaften Bettphobie kommen, die dann den längst gereiften Menschen noch um seinen gesunden Schlaf und – nicht ganz so schlimm, aber auch nicht schön – um ein gesundes Sexualleben bringt, welches ja auch heutzutage noch meist im Bett stattfindet.

Glücklicherweise habe ich, nicht zuletzt mit tatkräftiger Unterstützung meiner Liebsten, meine Bettphobie überwunden. Wir haben dafür eine kleine Selbsthilfegruppe gegründet, nur wir zwei natürlich.

Aber zurück: ich also in meinem Bett, draußen spielten die anderen Kinder. Nun müssen Sie wissen, dass wir im Hinterhaus wohnten und nachmittags üblich war, dass wer mit den Hausaufgaben fertig war, zum Spielen in den Hof kommt.

Einfach rauszugehen hätte ich mich nie getraut, damals waren die Kinder ja noch lieb. Aber ich bin leise aufgestanden, habe das Fenster aufgemacht und rausgeguckt.

Nun hätte ich nicht einmal einen Zettel rauswerfen müssen, es hätte gereicht, wenn ich einfach gerufen hätte: „Duht schnell die Bolizei rufe, die hawwe mich eigeschberrd!“.

Aber Polizisten gehörten nicht gerade zu unseren Freunden, haben wir ihnen doch immer nachgerufen „Bolizei – Osterei“, deshalb haben wir uns lieber versteckt, wenn welche vorbeikamen.

Klausi im Hof hat hochgerufen: „Komm doch runter“. Klausi war sonst mein Freund, aber das war gemein!

Er wusste nämlich genau, dass ich nicht runterkomnmen durfte. Weil nämlich jeder, der in den Hof ging, bei den anderen Kindern klingelte und höflich fragte. „Derff der Horst e bissje rauskomme?“

Ich schämte mich furchtbar, dass ich am helllichten Tag im Bett bleiben musste, deshalb rief ich runter:

„Ich habe keine Lust, ich lese gerade einen ganz spannenden Karl May“

Dann habe ich schnell das Fenster wieder zugemacht und bin ins Bett gekrochen, bevor meine Mutter was merkt.

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1 Kommentar

  1. Loco_just_Loco 23. September 2006

    So vertuscht man die Schande… „Mein Mann, der fährt zur See“ heißt ein Stück des Ohnsorg-Theaters, das ein ähnliches Problem zum Kern hat: der Mann muß „einrücken“ für vier Wochen, und damit das nicht auffällt, sagt die Frau, er sei zur See gefahren. Nur geht leider das Schiff, auf dem er angeblich angeheuert ist, unter, und die bucklichte Verwandtschaft will ihn beerben. Henry Vahl als Onkel, einfach unvergleichlich.

    Ich mußte eigentlcih auch ständig aufräumen, habs seltenst getan – wenn, mußte (und muß) eigentlich eine Frau dahinterstecken, die nicht mit mir blutsverwandt ist… 😉
    Arrest hab ich aber nie gekriegt. Meine Mama war ja Pädagogin, die hatte viel gemeinere Sachen auf Lager… :DD dafür gab’s doch hie und da mal schmerzhafte Erinnerungen, daß die körperliche Correction noch nicht verboten war. Na ja, das war dann aber schnell vorbei und vergessen. Geholfen hats aber auch nix.

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