Nachdem ich freitags durch das Freilandmuseum „gewandert“ bin, stehen jetzt noch zwei kleine Wanderungen auf dem Programm: am Samstag will ich rund um den Eisgraben wandern, einem Bachlauf mit einem kleinen Wasserfall. Und am Sonntag soll es zum Rhöner Segel gehen, einem Aussichtsturm.
Rund um den Eisgraben
Auf der Fahrt über Hausen halte ich bei einem kleinen Parkplatz und grüße Sebastianus, der hier schön wie immer steht.
Sankt Sebastian Wie ein Liegender so steht er; ganz hingehalten von dem großen Willen. Weitentrückt wie Mütter, wenn sie stillen, und in sich gebunden wie ein Kranz. Und die Pfeile kommen: jetzt und jetzt und als sprängen sie aus seinen Lenden, eisern bebend mit den freien Enden. Doch er lächelt dunkel, unverletzt. Einmal nur wird seine Trauer groß, und die Augen liegen schmerzlich bloß, bis sie etwas leugnen, wie Geringes, und als liessen sie verächtlich los die Vernichter eines schönen Dinges. Rainer Maria Rilke
Vom Parkplatz Hillenberg gehe ich dann parallel zum Eisgraben den Koppelhutweg und komme ins Kerngebiet des Biosphärenreservats. Im Kerngebiet wird alle belassen, irgendwann wird hier ein Urwald entstehen.
Auf einem Hügel am Wegrand ein Grenzstein, der darauf hinweist, dass hier die Hähl (oder Höhl), die Landwehr verlief. Das war ein meherere Meter breiter und hoher mittelalterlicher Grenzwall, der quer durch die ganze Hochrhön verlief und vor allem Schutz vor umherziehenden Rittern und Räuberbanden dienen sollte, tatsächlich aber eher der Geldeinnahme durch Zölle diente. Zum Teil sieht man noch die verflochtenen Bäume, die auf der Wallhöhe angepflanzt wurden.
In der anderen Richtung sieht man dann schon in die Felder und Hochwiesen der Hohen Rhön.
Diese Bäume habe ich fotografiert, weil ich gerade in der letzten Woche einen interessanten Beitrag gehört hatte. Ein Biologe aus unserer Gegend hatte – erstaunlicherweise als erster – bemerkt, dass sehr oft absterbende Bäume neben anderen, fröhlich weiterwachsenden, stehen. Daraus hat er abgeleitet, dass vielleicht die Umweltbelastungen nur einen Teil der Bedingungen darstellen. Und tatsächlich ergab sich, dass es genetische Unterschiede zwischen Bäumen, die absterben, und anderen gibt. Man wertet jetzt in Labors in China die genetischen Daten aus und kann die Erkenntnis wohl nutzen, um widerstandsfähigere Bäume anzupflanzen.
Jetzt sehe ich schon den Eisgraben-Wasserfall, das Ziel meiner kleinen Rundwanderung. Ein idyllischer kleiner Rastplatz ist bald schon belagert. Im Hintergrund eine Schafherde, von der ich gleich noch mehr sehen werde.
Der Schäfer, der hier noch seine Herde beobachtet, stößt einen lauten Ruf aus „Kommt“ und tatsächlich setzen sich die ersten Schafe in Bewegung. Dann schickt er noch seine beiden Hunde aus und die Herde kommt angetrottet.
Ich kann jetzt ein bisschen am Wasserfall des Eisgrabens herumklettern und Fotos machen.
Das Schwarze Moor wird von zwei Bächern entwässert, einer davon ist der Aschelbach, der ab seinem Eintritt in den Wald Eisgraben genannt wird. Der Bach hat einen bis zum 10 m tiefen Graben gebildet. Im Sommer führt der Bach nicht sehr viel Wasser, aber im vor allem Winter kann es zu heftigen Sturzfluten kommen. Im Sommer 1834 kam es zu derart schweren Wolkenbrüchen, dass der reißende Bach alles mit sich riss und das Dorf Hausen völlig verwüstete und mit Basalt bedeckte.
Entlang des Eisgrabens führt der Weg zunächst auf einem schmalen Pfad, dann auf einem breiteren Wanderweg bergab.
Oberhalb des Eisgrabens erinnern mich die Basaltsteine etwas an unser heimisches Felsenmeer. Auf halbem Weg komme ich zur Eisgraben-Hütte.
Auf einer kleinen Brücke überquere ich den Eisgraben und gehe auf der anderen Seite wieder bergaufwärts.
Auf einer Bank an der Frauenhöhle mache ich eine kleine Rast. Die seltene Basalthöhe hat angeblich ihren Namen, weil in Kriegszeiten Frauen in ihnen Schutz suchten.
Auch das Fräulein von Hillenberg soll 1525 bei einem Angriff mit ihren Jungfern und einem reichen Schatz durch einen von der nahegelegenen Burg bis hierher führenden Gang geflüchtet sein, sie wurde nie wieder gesehen.
Der Weg führt nun zurück zum Parkplatz. Ich besuche noch die nahegelegene Schloßschänke Hilleberg, esse eine gute Lammbratwurst, trinke natürlich das heimische Rother-Bier und komme schnell in angeregtes Gespräch mit drei alten Bauern – na gut, sie waren so alt wie ich.
Rund um Noahs Segel
Die kleine Wanderung am Sonntag soll noch kürzer werden, weil wir mittags wieder nach Hause fahren wollen. Ich beschließe, zu Noahs Segel zu fahren. Dazu muss ich allerdings nach Thüringen fahren, was glücklicherweise nur ein paar Kilometer weiter beginnt, liegt diese Gegend doch im Dreiländereck Hessen-Bayern-Thüringen.
Noahs Arche steht wiederum ein paar Kilometer weiter und ist ein Familien-Erlebniszentrum. So kam man wohl auf den Namen „Noahs Segel“ – obwohl dessen Arche glaubwürdigen Berichten zufolge über kein Segel verfügte und das auch beim Treiben auf der Sintflut nicht sinnvoll gewesen wäre.
Wie auch immer, Noahs Segel steht seit 2017 auf dem Ellenbogen, dem höchsten Berg der Thüringischen Rhön, hat eine Höhe von 21 m. Von seiner Aussichtplattform hat man einen wunderbaren Panoramausblick über die Rhön.
Ich parke in der Nähe des nahegelegenen Rönhauses und gehe von da aus Richtung Ellenbogen. Hinter einem kleinen Wälchen sehe ich dann die Kuppe mit dem Segel vor mir liegen.
Nähergekommen kann man schon eher die Form eines Segels erkennen. Ich steige die Stufen zur Aussichtplattform hoch und begucke mir die Landschaft von oben.
Zuerst gucke ich durch das aufgestellte Fernglas, aber das lohnt nicht – es ist zu bewölkt. Immerhin erkenne ich (ganz links im Bild) die Wasserkuppe. Ein Blick in den Himmel zeigt die dunklen Gewitterwolken und ein Blick in den Regenradar zeigt bevorstehende schwere Regenfälle. Aber auch, dass ich Glück haben könnte und mit meiner kleinen Wanderung dem Regen gerade so entgehen könnte.
Zuerst aber muss ich wieder runter. Am Eingang habe ich eine Filzmatte bekommen, auf die ich mich setze und durch die enge Röhre runterrutsche. Natürlich ist unten mein Smartphone weg, aber schon ruft mich jemand, der es anscheinend in der Rutsche gefunden hat und so seelisch gestärkt wage ich mich an die kleine Wanderung entlang des Naturlehrpfades Ellenbogen. An vielen Stellen erklären Schilder die vielfältige Natur dieser Rhönlanschaft.
Besonders interessant finde ich diese Station:
Die Rhönquellschnecken gibt es nur hier in der Rhön überhaupt. Ich wollte gerne eine der Schnecken, die sich in diesem Bachlauf tummeln, fotografieren. Aber ich hatte zufällig keine Lupe dabei, die Viecher sind, wie mich die Tafel aufklärte, nur etwa 1 1/2 mm breit. Auf dem Milimeterpapier sieht das so aus:
Der schwere Regen, der ganze Landstriche verwüstete, hat uns erst bei der Heimfahrt auf der Autobahn erreicht.