Habenwollen

Das zweite Laster nenne ich mal „Willhaben“. Denn „Avaritia“, wie sie im Lateinischen genannt wird, lässt sich für uns auf verschiedene Weise übersetzen: mit „Geiz“ oder mit „Habgier“. Und hier ist es einmal so, dass unser Sprachgebrauch differenzierter geworden ist.

Geiz und Habgier
„Geiz“ ist das Nichthergebenwollen, „Habgier“ ist das Umjedenpreishabenwollen.

Wobei das „um jeden Preis“ wörtlich zu nehmen ist, geschehen doch die meisten Morde aus Habgier.

Wer habgierig ist, muss durchaus nicht geizig sein.

Im Gegenteil, er kann sein Geld für vieles verschwenden. Unter „10 Gründen, die für Habgier sprechen“ nennt „MAX“ als ersten:

Es beruhigt, einen begehbaren Schrank mit farblich sortierten Hemden zu besitzen. Kein Mensch kann zu viele Hemden besitzen

So gesehen, ist Geiz nicht geil, sondern Habgier ist geil. Denn es gilt (so MAX):

Je größer die Briefmarkensammlung, desto größer die Chancen.

Dagegen sind die Chancen für einen Geizigen überhaupt nicht gut.
Jedenfalls was uns Männer betrifft. Im Gegenteil: Für Frauen ist „Geiz“ fast so schlimm wie Fremdgehen, ermittelte ein Meinungsforschungsinstitut.

Nur wenige können sich ganz vom Habenwollen frei machen – ich bekenne: ich gehöre nicht dazu. Ich bewundere Menschen, die bewussst „einfach leben“. Ich lebe durchaus nicht in Saus und Braus, aber manchmal „gönn ich mir was“. In Maßen(darauf kommen wir bei der „Maßlosigkeit“ noch einmal zu sprechen.

Darauf kommt es an, glaube ich. Auf das „in Maßen“.

Die Erkenntnis, dass alles Maß in unserer Gesellschaft verlorengegangen ist,
ist nach dem kurzen Schock der Bankenkrise im letzten Jahr schon fast wieder vergessen.

Jedes anständige Maß ist z.B. verloren gegangen,wenn ein „Abstandsgebot“ eingefordert wird (und damit nicht etwa gemeint ist, dass das Mindesteinkommen eines berufstätigen Menschen über dem eines Hartz IV Empfängers liegen sollte, sondern im Gegenteil: dass Hartz IV an dem real immer weiter sinkenden Einkommen der erbärmlich bezahlten schwächsten Einkommensgruppen gemessen werden soll, also immer weiter sinken muss).

Habsucht ist die Wurzel allen Übels

sagt die Bibel im Jakobusbrief (1. Tim. 6, 10). Als ob sie unsere Zeit vorausgesehen hätte.

Allerdings: das Problem ist nicht etwa, dass Herr Aldi oder Frau Dingsbums persönlich habsüchtige Menschen sind, sondern dass die Orientierung an den Habenden Maßstab der Politik ist.

Dieser Beitrag setzt die Reihe „Über 7 Lastern musst du stehn“ fort:
Teil I: Über 7 Lastern musst du stehn“
Teil II: Es ist leichter, überheblich zu sein als stolz zu sein“
Teil III: Bescheidenheit ist auch keine Alternative