Dieser Tage kam in Landshut ein Zehnjähriger zur Polizei und wollte sich selbst anzeigen. Weil er in einer Rechenarbeit eine 5 hatte und das zuhause nicht erzählen wollte, hatte er die Unterschrift seines Vaters gefälscht.
Beim Lesen überkam mich großes Mitleid. Das gleiche „Verbrechen“ habe ich auch begangen. Aber statt zur Polizei zu gehen, erzähle ich Ihnen das.
In der Volksschule, wie das damals noch hieß, war ich immer sehr gut in allen Fächern. Nur in Turnen, Ordnung und Fleiß hatte ich keine guten Noten.
Aber eines Tages geschah etwas, was ich bis heute nicht verstehen kann, in einer Rechenarbeit hatte ich eine 5. Ich hatte bei allen Mal-Aufgaben einen Rest herausbekommen.
Ich schämte mich so, dass ich die Arbeit um nichts in der Welt meinen Eltern zeigen wollte. Also fälschte ich die Unterschrift meiner Mutter.
Das Ganze flog erst auf, als ich bei de nächsten Arbeit wie gewohnt wieder eine 1 schrieb. Ich konnte ja die Arbeit zuhause nicht zeigen, dann hätten meine Eltern die gefälschte Unterschrift entdeckt.
Am Nachmittag kam meine Mutter vom Einkaufen nach Hause und hatte ihre Freundin getroffen, deren Tochter in die gleiche Klasse ging.
„Sag mal, Du hast ja eine Eins geschrieben. Warum hast Du mit denn das nicht erzählt?“ – „Ach, das hab ich vergessen“ – „Vergessen? Zeig doch mal!“
Ich musste meiner Mutter – nicht ohne Stolz, abe mit furchtbarer Angst – also die Arbeit zeigen. Und natürlich entdeckte sie die Fünfer-Arbeit.
„Was? Eine Fünf. Das weiß ich ja gar nicht!“
Mit dem Mut der Verzweiflung wagte ich noch einen letzten Vesuch: „Doch, das hast Du doch gesehen. Du hast ja selbst unterschrieben.“k
In meiner Erinnerung ist die erwartete Katastrophe ausgeblieben. Aber wie ich meine Mutter und die damalige Zeit kenne, bekam ich’s mit dem Kochlöffel.
Eine gewisse Genugtuung bereitete mir, dass Lehrer Scholz nie davon erfuhr. Er erzählte uns immer wieder, wir sollten nie versuchen, eine Unterschrift zu fälschen. Selbstredend werde er das sofort merken,
Leider durfte ich das nie kommentieren.
Mitleid mit meinem kleinen Landshuter Freund habe ich vor allem, weil sein Vater wusste, dass er zur Polizei gehen wollte und das „aus erzieherischen Gründen“ für gut hielt. Ich danke Gott, dass meine Eltern sowas in der Familie ließen. Außer ihm und ihnen und jetzt Ihnen hat nie jemand davon erfahren.