Von der Schlei aus sind wir weiter Richtung Pellworm gefahren. Der Plan war, mittags wie immer – also nun schon zum fünften Mal – im Roten Haubark in Witzwort zu Mittag zu essen und dann nach Nordstrand zur Fähre nach Pellworm weiter zu fahren, um gegen Abend dann auf der Insel zu sein.
Das war der Plan.
Tatsächlich waren wir zu früh beim Roten Haubarg und beschlossen, noch ein bisschen spazieren zu gehen. Allerdings war das Wetter so, dass es sich empfahl, etwas festere Schuhe anzuziehen als die leichten Slipper, die ich im Auto anhatte. Die festen Schuhe hatte ich in einer Tasche hinten im Auto.
Soweit der Plan. Tatsache war, ich fand die Tasche nicht. Noch einmal alles durchsucht. Das Miststück war nicht mitgekommen.
Ich guckte auf die Uhr. 16.15 Uhr mussten wir an der Fähre sein, 1 1/2 Stunden hatten wir für die Fahrt gebraucht. Drei Stunden hin und zurück ohne Tasche holen. „Eigentlich brauche ich nur die Schuhe wirklich“. „Quatsch“, meinte die Liebste. Ich bewundere sie für ihre klaren Worte. „OK, Du kannst hier zu Mittag essen, ich fahre“. „Quatsch, wer weiß, was Dir dann noch alles passiert und dann sitze ich alleine hier“.
Nicht ohne Zwischenfall fuhren wir wieder zurück. Aber nur eine halbe Stunde Umweg. Und natürlich war die Vermieterin gerade in Dänemark, aber eine sehr nette, ein paar Worte Deutsch sprechende Mitarbeiterin schaffte es dann, die Tasche zu beschaffen und rechtzeitig zur Fähre waren wir wieder auf Nordstrand. Im Haubarg hatte ich natürlich Bescheid gesagt.
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Auf Pellworm fuhren wir zu allererst bei Momme von Holdt vorbei, der uns freundlicherweise zwei Fahrräder lieh und sie abends vorbeibrachte. E-Bikes brauchen wir nicht, meinten wir, auf der Insel ist es ja flach.
Das Häuschen auf der Warft war so hübsch, wie es im Internet ausgesehen hatte und die Vermieter entpuppten sich als ein nettes Ehepaar, das erst vor fünf Jahren auf die Insel gezogen war und sich einen Traum oder wie sie sagten, einen schnellen Entschluss, berwirklicht hatten.
Am nächsten Morgen war Samstag und wir mussten noch ein paar Kleinigkeiten besorgen.
Nachdem wir noch ein wenig den schönen Blick genossen haben, schwangen wir uns also auf unsere Fahrräder und fuhren Richtung Deich.
Nach ein paar Metern war mir klar, dass ich nicht weit komme. Herzkrank, Sturm und Fahrrad sind drei Sachen, die nicht zusammen passen.
Also fahren wir in die andere Richtung.
Wir fahren die Alte Kirchchaussee entlang, die so heißt, weil sie zur Neuen Kirche führt. Na gut, in die andere Richtung zur Alten Kirche. Pellworm mit seinen um die 650 Familien hat immerhin zwei (evangelische) Kirchen und ein katholisches Gemeindehaus.
Die Neue Kirche ist auch nicht sooo jung. Gebaut wurde sie 1621/22, noch auf der Insel Strand, bevor diese bei der 2. Groten Mandrenke, dem Großen Ertrinken, 1634 zerstört und in Pellworm, Nordstrand und Nordstrandischermoor zerteilt wurde. Als eine der wenigen Kirchen hielt die Neue Kirche dem verheerenden Sturm stand.
Über den Junkersmiddeldeich und Ostertilli – welche Namen! – radeln wir weiter nach Tammensiel, dem wichtigtsen Ortsteil Pellworms mit dem Hafen und allen Geschäften.
Am kleinen Hafen setzen wir uns noch ein bisschen in den natürlich behindertengerechten Strandkorb und warten, bis Arnos Hafenpub aufmacht.
Arnos Hafenpub ist eine Berühmtheit. Nicht unbedingt wegen seines Essens – obwohl das durchaus schmackhaft ist -, sondern wegen Stefan Raab. Der wollte für seine Sendung TV Total den Bürgermeister von Pellworm anrufen, um von ihm einmal zu hören, wie das was, als ein paar Tage vorher das Telefonnetz der Insel ausgefallen war. Als er den nicht erreichte, rief er im Hafenpub an und sprach mit Arno. Am Ende forderte er die Zuschauer auf, die Kneipe zu liken. Und die Zahl der Facebooklikes stieg sprunghaft von 74 auf 150.000 und später 200.000. Mehr als das Hofbräuhaus.
Bei Familie Popalls Edeka (heißt tatsächlich so) decken wir uns mit ein paar Lebensmittel ein und nebenan in Martensens Kaufmannsladen kaufe ich mir ein paar Strümpfe, weil ich ein Paar zu wenig eingepackt hatte.
Gegenüber sitzt man schön vor Cornilsens Bäckerei-Café. Ich schlürfe mal wieder eine Tote Tante und anschließend geben wir den Bestellzettel für die morgendliche Brötchenlieferung ab. Jeden Morgen um 1/2 7 kann ich dann die Brötchen aus dem Brötchenkasten am Tammwarftshuis holen, am Sonntag auch ein Croissant.
Ich gucke auf den Regenradar und wir beschließen, dass bis zum Regen genügend Zeit bleibt, um am Deich entlang zurück zu fahren.
Wir machen uns auf den Weg. Aber – wie schon Macchiavelli sagte.
Es ist ein allgemeiner Fehler der Menschen, nicht in den Zeiten der Meeresstille mit dem Sturm zu rechnen.
Schon nach ein paar Metern stelle ich fest, dass das für das Herz gar nicht gut ist. Aber kannste machen nix, wenn Du unterwegs bist.
Mein Kardiologe meinte, mehr als 112 solle ich nicht haben, allenfalls mals 120. Entsprechend seht Ihr in der blauen Kurve, wie oft wir stehenbleiben mussten.
Als wir am Leuchtturm abbiegen, hoffen wir, das Schlimmste überstanden zu haben. Aber gefehlt. Wie schon Goethe sagte
Wind und Ströme,
Donner und Hagel
Rauschen ihren Weg
Und ergreifen
Vorüber eilend
Einen um den andern.
Bevor ich jetzt voll ins Poetische lappe, sag ich nur noch, dass wir vor dem Hagel Unterkunft unter einem Carport gefunden haben. Nicht ohne Angst, wir könnten den Mercedes verschrammen.
Ich überlegte, die Räder gegen E-Bikes zu tauschen, der Sturm wäre mir aber doch zu heftig gewesen. Vielleicht sollten wir sie ganz zurückgeben?
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Anderntags weigerte ich mich, mit dem Fahrrad zu fahren. Zu Fuß würde es wohl gehen, meinte ich und so machten wir eine kleine Wanderung (bei schönem Wetter wäre es eher ein Spaziergang gewesen) zur Alten Kirche.
Sie ist das weithin sichtbare Wahrzeichen der Insel. Im Gegensatz zur Neuen Kirche, die ja erst 1621 gebaut wurde, wurde die Alter Kirche schon 1200 erbaut. In der Großen Mandränke wurde sie teilweise zerstört. In diesem Zustand blieb der Turm, der bis zum Bau des Leuchtturms 1907 auch als Seezeichen diente.
Durch den Sturm marschieren wir wieder nach Hause.
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Anderntags war alles anders. Die Sonne scheint, wir sind froh, die Räder nicht zurückgegeben zu haben und machen eine Radtour durch den Nordwesten der Insel. Die ist übrigens in 13 Köge aufgeteilt und wir fahren durch den Kleinen Norderkoog, den Bupheverkoog und den Großen Norderkoog.
Im Restaurant zur Alten Kirche essen wir zu Mittag und fahren danach weiter zur Nordermühle von 1652.
An Feuerwehr und Schule vorbei – wir befinden uns jetzt so ziemlich im Mittelpunkt der Insel – fahren wir zu unserem Häuschen.
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Am nächsten Tag – und schon dem Letzten vor der Heimreise – ist das Wetter immer noch schon und wir beschließen, eine Tour um die Insel zu machen.
Entlang der Westerschütting und des Kaydeichs fahren wir Richtung Leuchtturm.
Bei Cornilsen trinken wir noch einmal Kafee und fahren dann weiter.
Abends gehen Unter den Linden sehr schön essen, danach genießen wir vor unserem Haus noch einmal den Sonnenuntergang.
Ob Pellworm die schönste der Inseln vor Nordfriesland ist? Die Liebste findet eher ja, ich mochte Amrum eigentlich lieber. Pellworm ist eine Insel für Leute, die wirklich ausspannen wollen – ich bin im Urlaub eher etwas umtriebig.
Trotzdem: ich fand es sehr schön und sicher werden wir noch einmal kommen, vielleicht mit dem Briefträger durch das Watt nach Süderoog laufen, vielleicht baden (übrigens: Strände gibt es hier nicht, nur Badestellen), vielleicht ins Inselmuseum oder auch ins Rungholtmuseum gehen. Vielmehr fällt mir nicht ein. Trotzdem.
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