„Quartier Latin“ ist für mich ein Begriff, seit ich 1970 in Frankfurt zu studieren begann und zum ersten Mal beim legendären Faschingsfest gleichen Namens im ebenso legendären – damals besetzten – Studentenhaus der Frankfurter Uni, die damals „Karl-Marx-Universität“ hieß. So jedenfalls die rot über die Hausfront des Hauptgebäudes gemalten Worte.
Hatte der „Rote Dany“ das mitgebracht? Der legendäre Anführer der Pariser Studentenrevolte war ja nach seiner Ausweisung aus Frankreich nach Frankfurt gekommen, allerdings nicht als Student, sondern zur Freude der Frankfurter Spontibewegung als „Bezugsperson“ im Antiautoritären Kinderladen.
Seitdem jedenfalls ist der Name Quartier Latin für mich untrennbar mit Lebensfreude und einer gewissen Aufsässigkeit verbunden. Was Wunder, dass es mich am letzten Tag vor unserer Heimreise in diesen Stadtteil zog.
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Davor aber hieß es warten, warten. „Wir nennen das authentisch“ hatte uns die freundliche Frau im Hotel erklärt und meinte damit den Streik, den wir in Paris natürlich auch erleben mussten. Am Freitag fuhr keine Metro.
Wieder eine Erinnerung an die Studentenzeit und das Plakat in meinem Zimmer „Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will“.
Wir hatten angesichts des zu erwartenden Chaos in Erwägung gezogen, in unserem Quartier zu bleiben, dann aber beschlossen, das Wagnis Busfahrt einzugehen.
Wir hatten nämlich gesehen, dass „unser“ 58er uns in die Zielregion und auch wieder zurück führen würde – so wir denn Platz in ihm fänden.
An der Haltestelle waren wir allein. bis nach fast einer Stunde der Bus kam, der normalerweise alle 7 – 8 Minuten kommen sollte, waren wir eine lange Schlange, die erstaunlicherweise in dem schon rappelvollen Bus Platz fand.
Eine Frau und zwei Männer kommen mit Leitern aus dem Haus an der Haltestelle und beginnen, die Wandmalerei fortzusetzen.
Wir quetschen uns in den Bus und fahren bis zum Jardin du Luxembourg, den wir durchqueren.
Immer wieder sind wir begeistert von den tollen Pariser Grünanlagen.
Die Sommerbepflanzung in diesem Jahr ist in Rosa und Blau gehalten.
An der Sorbonne vorbei gehen wir Richtung Panthéon. Unterwegs gönnen wir uns – zum ersten Mal – eine dieser köstlichen Eiskreationen in Blumenform bei Amorino.
Das Panthéon wurde unter Ludwig XV als Kirche Sainte-Geneviève gebaut. Sie sollte die in verschiedenen Formen dort seit dem 5. Jahrhundert stehende Kirche ersetzen und eine Demonstration des Reichtums und der Macht der Genovevianer zeigen. Schon ein Jahr nach der Fertigstellung erklärten die Revolutionsführer die Kirche zur Nationalen Ruhmeshalle.
Damals wurden alle religiösen Symbole entfernt. Natürlich ließ mir keine Ruhe, wie denn dann das Kreuz auf der Kuppel zu erklären sei. Auf dieser Suche habe ich dann zuerst einmal gelernt, dass der Aufsatz auf einer solchen Kuppel „Laterne“ genannt wird. ich war nämlich irritiert, dass ich in den Bauberichten von einer „Laterne“ las und nichts von einem Kreuz.
Nun gut, um es kurz zu machen: Napoleon gab den Bau der Kirche zurück, seitdem gibt es dort wohl wieder das Kreuz, obwohl 60 Jahre später die Kirche wieder umgewandelt wurde, damit Victor Hugo ein würdiges Grab fände.
Nebenan ist auch die Pfarrkirche Saint-Étienne-du-Mont einen Besuch wert.
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Am Place de la Contrescarpe kommen wir zur Rue Mouffetard und setzen uns erst einmal vor ein Café, um dem Treiben an diesem schönen Platz zuzusehen.
Um die Ecke hat Hemingway mit seiner ersten Frau und wohl einzigen großen Liebe Hadley gewohnt. Er liebte die Cafés hier. Dann hat er wohl auch in unserem gesessen, denn das „Delmas“ gegenüber (damals Café des Amateurs) mied er, das sei „die Kloake der Mouffetard“.
Im Quartier Latin begegnen einem noch Überreste des mittelalterlichen Paris, wie es vor der Umgestaltung durch den Präfekten Haussmann im 19. Jahrhundert aussah.
In der engen und gepflasterten Mouffetard kommt die Liebste endlich auch zu ihrem Einkaufsbummel. Hier gibt es viele schöne kleine Lädchen neben noch mehr kleinen Kneipen.
Weil es noch etwas früh für das Mittagessen ist, trinken wir noch einen Tee im Garten der Großen Moschee.
Die Grande Mosquée de Paris wurde nach dem Ersten Weltkrieg vom französischen Stadt gebaut als Zeichen der Dankbarkeit für die Muslime aus den Kolonien, die in den Hilfstruppen für Frankreich gekämpft hatten und von denen 70.000 gefallen sind.
Während der deutschen Okkupation unterstützte der Rektor der Moschee die Résistance. Insbesondere verschaffte Si Kaddour Benghabrit gefährdeten Juden Papiere, die sie als Muslime auswiesen, und rettete dadurch mehreren Hundert das Leben. (Wikipedia)
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Heute essen wir Halal bei Roger de Beyruth, es schmeckt vorzüglich. Der Wirt kommt mir erst sehr mürrisch vor, aber es stellt sich raus: er ist einer von diesen netten etwas knotterigen Typen.
Cette photo de Roger de Beyrouth est fournie gracieusement par TripAdvisor
Nach dem Essen spazieren wir durch den Jardin des Plantes, dem Botanischen Garten.
Auch einen Zoo gibt es hier, den ersparen wir uns und den Tieren aber. Die Kängurus sind Bewohner des Gartens.
Der Jardin des Plantes grenzt an das Seineufer, an dem wir entlang zum Institut du Monde Arabe gehen.
Wieder einmal durch eine Sicherheitskontrolle betreten wir das Institut du Monde Arabe und können ohne weiteres auf die Dachterrasse fahren, von der man noch einmal (zum wie vielten Male?) einen schönen – und kostenlosen – Ausblick auf Paris und den sicher schönsten auf Notre Dame hat.
Es gibt hier auch ein recht feudales Restaurant und ein Café, aber man kann wie wir auch einfach die Dachterrasse nutzen.
Zurück müssen wir nun noch ein Stück an der Seine entlang bis zum Café Procope, bekannt als eines der schönsten von Paris – aber uns reicht es für heute.
Noch einmal quetschen wir uns in den Bus und fahren zurück.
Wir sind froh, diese Tour trotz Streik gemacht zu haben. Es war ein sehr schöner Spaziergang.
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Am nächsten Morgen machen wir uns auf den Heimweg. Wir fahren mit der Metro zum Gare d’Est. Weil wir zeitig gefahren sind, haben wir noch Zeit, uns ein letztes Mal in ein Straßencafé zu setzen.
Dann entdecken wir auf der anderen Straßenseite direkt vor dem Bahnhof etwas noch viel Schöneres und wir können uns noch in die Sonne legen.
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