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Wollust ward dem Wurm gegeben

Wussten Sie, dass es einen „Tag des Wurms“ gibt? Tatsächlich: heute, am 15. Februar, einen Tag nach dem Valentinstag.

Einen Zusammenhang wischen diesen beiden Tagen gibt es aber nicht.

Ich fühlte mich quasi gezwungen, zum Tag des Wurms einen Beitrag zu schreiben. Schließlich bin ich ja selber einer.

1958, gerade noch in der ersten Klasse (bis Ostern, da begann die 2.) find ich das Poesiealbum meiner Mutter und schrieb ihr folgendes hinein:

Ich erinnere mich noch genau, dass damals schon dieser Poesiealbumspruch mich über die Maßen beschäftigte.

„Müsste er nicht eigentlich andersrum lauten“, fragte ich mich. „Vor den Menschen ein Wurm, aber vor Gott ein Adler“.

Das hätte jedenfalls meinem damaligen Selbstwertgefühl sehr viel eher entsprochen. Denn ein Adler war ich absolut nicht.

Nicht an Größe, nicht an Mut, nicht an Stärke. An eigentlich überhaupt nix.

Andererseits: ein Wurm war ich auch nicht.

Aber warum sollte ich vor Gott ein Wurm sein? Gott war für mich einer, der mich genau kennt und deshalb doch:

egal, was die anderen Jungs meinten, Gott wusste, dass ich auch was wert bin, wer weiß, vielleicht sogar mehr…

Ich glaube, ich fand den Vers in ihrem Album. Er war wohl der einzige, den ich auf meine Mutter anwendbar fand.

Wobei – da fällt mir ein – sollte ich etwa sie damit angesprochen haben, also im Sinne von „Jetzt tust Du immer so groß, aber warte nur…“


Drei Kindheitserinnerungen habe ich an Würmer, beide schlimm.

Die eine: es gab Jungen, die Regenwürmer schluckten!

Das war eine Mutprobe. ich habe sie nicht bestanden.

Die zweite: es gab Jungen, die schlugen Regenwürmer mit dem Spaten mittendurch oder zerschnitten sie mit dem Taschenmesser, genauso wie es die Liebste mit den Schnecken im Beet heute noch macht.

„Dann leben die beiden weiter“, erklärten sie dann. Unglaublich.

Und stimmt auch nicht. Trennt man Regenwürmer durch, kann Wurm, also der vordere Teil nur überleben, wenn der hintere Teil hinter dem „Gürtel“ abgetrennt wird. Der stirbt dann ab.

Egal, ich glaubte es. Und tat es dann doch auch einmal.

Furchtbare Gewissensbisse waren die Folge. Mir taten die armen Würmer einfach leid. Der einzige Trost war vielleicht, dass sie ja wirklich eklig waren.

Die dritte Erinnerung: es gab Männer, die spießten Würmer auf und fingen damit Fische. Ich hatte unendliches Mitleid sowohl mit den Würmern als auch mit den Fischen, die sich den Haken ins Maul bissen.


In der Bibel kommen ja auch Würmer vor. Mir der Liebste ist der kleine Wurm, der zu Jona nach Ninive geschickt wird, um ihn ein bisschen Demut zu lehren.

Hier habe ich die Geschichte einmal nacherzählt.



Nochmal zur Wollust bei Würmern. Wussten Sie, dass Regenwürmer Zwitter sind? Trotzdem treiben Sie ihren Sex nicht alleine, sondern mit einem Partner, an den sie sich eng anschmiegen.

Also doch wie Valentinstag.

Ob Sie dabei allerdings Lust empfinden, ist eher fraglich.

Übrigens: möglicherweise hat Schiller (Ode an die Freude) mit „Wollust“ gar nicht diese nackte sexuelle Lust gemeint, sondern einfach das „Wohlgefühl“, eben die „Wohle Lust“, daher leitet sich das nämlich ab. Und die Assoziation „sexuell“ ist erst spät und in manchen Regionen überhaupt nicht entstanden.

Sachen gibt’s.


Wir sind nur Würmer, doch dazu geboren, ein himmlischer Schmetterling zu werden.

Dante Alligheri

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