Der taiwanesische Konzern Foxconn
verbietet seinen Mitarbeitern, Selbstmord zu begehen. Das kommt manchem witzig vor, denn: welche Strafe soll auf Selbstmord stehen?
Das „Verbot des Suizids“
folgt der Logik der Sklavenhaltergesellschaft, in der es entstand. Da der Körper des Menschen nicht sein eigen war, war der Suizid Diebstahl und wurde in fast allen Gesellschaften unter Strafe gestellt.
„Na und“ – fragen Sie jetzt vielleicht.
„Was kann denn jemandem Schlimmeres passieren als die Todesstrafe – und die will derjenige ja schließlich“.
Weit gefehlt: es gibt viel Schlimmeres als die Todesstrafe.
So wurden im Mittelalter Suizidenten gerädert und gevierteilt.
Und natürlich wurden in Auschwitz Häftlinge, die in den elektrischen Zaun rannten und vielleicht überlebten, grausamst bestraft – bevor sie in der Gaskammer landeten.
Foxconn setzt zwei sehr wirksame Waffen ein:
– das Ehrenwort. Die Mitarbeiterinnen müssen ihr Ehrenwort geben, dass sie keinen Suizid begehen
– die Drohung mit der Psychiatrie
Zum Ehrenwort
Mir scheint, dies ist eine sehr wirksame Waffe. Denn Ehre – freilich weiß ich zu wenig von der Kultur Taiwans – ist wohl mit ein Auslöser für Suizide: „Ich habe keine Fähigkeiten. Ich bekomme, was ich verdiene.“, schrieb ein 19jähriger in seinem Abschiedsbrief.
Dass ein gegebenes Wort bindet, wird in Beratungsdiensten für Suizidgefährdete in Deutschland positiv eingesetzt, indem genau ausgehandelt wird, unter welchen Bedingungen eine Beratung stattfindet und was passieren muss, bevor ein Mensch sich ums Leben bringt.
Zur Drohung mit der Psychiatrie.
Selbst in unserer Gesellschaft, in der Psychiatrische Kliniken eher Krankenhäuser ähneln als Zwangsanstalten, ist dies eine wirksame Drohung.
Geschweige denn in Taiwan. Krimilesern empfehle ich hierzu die Krimis von Andy Oakes (z.B. „Drachenaugen“ -nichts für schwache Gemüter). Spielt zwar in China, aber vom Stand der Psychiatrie durchaus vergleichbar.
Bei uns hat sich in der Psychiatrie viel getan. 1975 begann die vom Bundestag eingesetzte „Enquete-Kommission“ ihren Bericht mit den Worten
Unter elenden und menschenunwürdigen Umständen…
und beschrieb damit noch zurückhaltend das Los von psychiatrischen Patienten.
Suizid ist bei uns straffrei.
Mehr: es ist nicht einmal ein Tatbestand. Deshalb gibt es übrigens auch keinen Tatbestand „Beihilfe zum Suizid“.
Fazit:
Das Skandalöse bei Foxconn ist nicht der Verbot des Suizids – der ist folgerichtig. Das Skandalöse ist die Sklavenhaltergesellschaft, von der wir profitieren.
P.S.:
Die Haltung der Kirche zum Suizid ist ein eigenes Thema
Anonymous 28. Mai 2010
*Danke*
du weißt schon…..
jahreszeiten 28. Mai 2010
Nee – weiß ich jetzt nicht wofür. *Grübel*
Loco_just_Loco 28. Mai 2010
Hat „die Kirche“ eine Haltung zum Suizid? Ich habe eher den Eindruck, da macht jede ihrs: die römische verweigert das kirchliche Begräbnis, die Evangelen wissen nicht so recht…
Sansibar 28. Mai 2010
Ich habe schon Menschen bestattet, die sich selbst getötet haben. Warum nicht? Es ist meiner Ansicht nach sogar mehr als sonst ein Anlass, seelsorgerlich tätig zu sein und den Angehörigen, die oft völlig verunsichert sind (Bin ich schuld? Hätte ich irgendetwas tun können? Warum denn nur?) Mut zuzusprechen…
Es ist einfach nur lieblos, diesen Menschen dann zu sagen: Weil Dein Sohn sich selbst getötet hat, darf er aber nicht auf einem christlichen Friedhof beigesetzt werden…
Wen wollte man damit eigentlich bestrafen?
Loco_just_Loco 20. Juni 2010
Seh ich so ähnlich. Die Trauerfeier ist doch eigentlich immer für die Lebenden, oder?
Und Suizid ist nach meiner bescheidenen Ansicht immer die Folge tiefsten Leidens, möglicherweise gar an der „Krankheit zum Tode“, die „Leben“ heißt…
Anubis 28. Mai 2010
Hierzu gibt es heute mitten in der FR eine schöne Doppelseite über Leute, die nach gescheitertem Selbstmord weiterleben, und wie.
Selbst in der Jugend dem Suizid sehr zugetan (heute nicht im geringsten), finde ich das Thema nach wie vor sehr diskutierenswert.
Ebenfalls danke für den Buchtip!
Anonymous 28. Mai 2010
…danke für den Buchtipp 🙂
Der Steppenwolf 28. Mai 2010
>> … So wurden im Mittelalter Suizidenten gerädert und gevierteilt. …<<< Wer in Ingolstadt mal im Armeemuseum war, wo Waffen aus dem Mittelater ausgestellt werden, wird sich klar werden, dass der Tod durch Kugel und noch schlimmer, eine Atombombe; richtig primitive Arten sind, Menschen umzubringen.
Bei den Lanzen, die man dort sieht, gibt es jede Menge Zacken, Haken und Klingen, die dem Getroffenen qualvoll alle Eingeweiden heraus reißen sollten, um sie grausamst zu verletzen. Ich war echt entsetzt ob der Grausamkeit!!
Der Steppenwolf