Adenauer war 91, als er starb. Seine letzten Worte richtete er an seine Tochter: „Da jitt et nix zo kriesche!“
– „Da gibts nix zu flenne“, würde ich das übersetzen.
Er war 91, als er starb. Bevor er mit 73 zum Bundeskanzler gewählt wurde, fragte er seinen Hausarzt, ob er die Aufgabe in seinem Alter noch erfüllen könne. „So zwei, drei Jahre könne er das wohl noch“, sei die Antwort gewesen, erzählte er später und fügte hinzu „Da sehen Sie, dass der Gnade unseres Herrgotts keine Grenzen gesetzt sind“.
Mit seinen 91 Jahren war er immerhin noch Mitglied des Bundestages, wo er keinen Hehl daraus machte, wie wenig er von seinem Nachfolger Ludwig Erhard hielt.
Wegen seiner großen Verdienste erhielt Konrad Adenauer vom Papst das Recht verliehen, zu Pferde in Kirchen einreiten zu dürfen. Dieses Recht steht den „Rittern vom Goldenen Sporn“ zu. Es wird allerdings von uns Evangelischen nicht anerkannt.
Daneben ist sicher aus Adenauers Leben erwähnenswert, dass er neben einer Sojawurst eine von innen beleuchte Stopfkugel, einen Kopfschirm zum Schutz vor Blendung durch entgegenkommende Fahrzeuge, eine Tülle mit beweglicher Klappe für Gießkannen, ein Verfahren zur Herstellung eines dem rheinischen Roggenschwarzbrot ähnelnden Schrotbrotes und viele andere nützliche Dinge erfand, die seitdem unser Leben bereichern.
Am Tag, als Adenauer starb, war ich 16 Jahre alt und eingeteilt zum Seenotwachdienst. Es wehte ein furchtbarer Wind, aber es war Vorschrift, dass man sich nicht – egal wie das Wetter war – in die Wachkabine zurückziehen durfte.
Ich stand mit Gummistiefel, Ölzeug und Südwester in eisiger Kälte auf der Aussichtsplattform und musste ununterbrochen die Hohwachter Bucht beobachten, ob irgendwo ein Schiff untergeht.
In der Wachtstation gab es ein Telefon, das praktisch nie läutete. Aber an diesem Morgen läutete es. Das hieß, dass der Wachleiter vom Dienst anrief. „Ja, hier Seenotwache“, meldete ich mich vorschriftsmäßig.
„Junge, Adenauer ist gestorben. Du musst die Flagge auf Halbmast setzen“.
Ich war also derjenige, der die weithin sichtbare Deutschlandflagge auf Halbmast setzte. Ein Bauer, der vorbeigeradelt kam, stieg ab und meinte: „Ach, der Adenauer ist gestorben“.
Später traten dann alle Wachen an, um gemeinsam das Deutschlandlied zu singen. Zu diesem Zweck wurde die Fahne zunächst noch einmal hoch und dann wieder auf Halbmast gezogen. Wieder von mir, was eine große Ehre war.
So erlebte ich den Tag, als Adenauer starb. 19. April 1967.
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Wenn Sie sich jetzt wundern, warum ich mit meinen knapp 16 Jahren schon bei der Bundeswehr war, liegen Sie völlig falsch. Ich war für vier Wochen an der Kurzschule Weißenhaus. Im Spiegelarchiv fand ich heute einen schönen Artikel dazu.
(Foto: Katherine Young, New York, via Bundesarchiv. Wikimedia)