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Leben auf dem Pulverfass

Mindestens 10 Tote gab es gestern in Libyen bei Demonstrationen vor dem italienischen Konsulat. Nein, die Demonstranten haben niemanden getötet. Die Polizei hat das Feuer eröffnet. Anlass der Demonstrationen war, dass sich ein italienischer Minister mit einem T-Shirt mit der Mohammed-Karrikatur im Fernsehen gezeigt hat. Es lebe die Meinungsfreiheit.

Ich gebe zu: die Situation macht mir Angst. Nicht, dass ich ein Angsthase bin und in Panik machen will.

Vielleicht gab es ja in den Zeiten des Kalten Krieges wirklich wenigstens noch sowas wie ein „Gleichgewicht des Schreckens“ . Aber heute habe ich zunehmend das Gefühl, unsere Erde ist ein Pulverfass.

Dazu passt vielleicht, dass diese altmodische Wort keiner mehr kennt in Zeiten. Derart altmodische Dinge wie ein Pulverfass werden nicht mehr gebraucht in Zeiten von Hasspredigern und Selbstmordattentätern auf der einen und Brandstiftern und christlich-fundamentalisitischen Kriegern gegen die Achse des Bösen. Und dazu jetzt noch die vielen ehrenamtlichen Reichs-Meinungsfreiheits-Helden. Von denen hätte uns Gott nun wirklich verschonen können.

Das Schlimme ist: beiden Seiten kommen die Karikaturen gerade recht. Und so schüren sie die Flamme, solange der Funke glüht.

Ich habe keinen Zweifel, dass die Demonstrationen und Gewalttätigkeiten in manchen islamischen Ländern angezettelt sind.

Die Frage ist aber, warum demonstrieren Zehntausende, warum trampeln sie auf westlichen Fahnen herum und zünden sogar Botschaften an? Es sind ja keine gekauften Jubelperser, wie weiland beim Besuch des Schahs.

Drei Aspekte kommen meiner Meinung nach zusammen:

Ein anderes Konzept von „Ehre“

Während die Verteidigung der persönlichen Ehre bei uns höchstens noch in alten Filmen vorkommt und da dem Adel und den Militärs vorbehalten bleibt, die sich schon mal zu einem tödlichen Duell auffordern, gehört die persönliche Ehre eines Mannes unter Muslimen zu den am höchsten angesetzten Werten.

Nicht nur im Islam, aber da besonders. Auch auf Kreta musste ich noch schlucken – nicht nur Ouzo – bei dem Trinkspruch: „Unbeleidigt sterben“. Und dieser Tage waren in einer jener netten Mittagtalks Mädchein eingeladen, die schon mal einem eine in die Fresse hauen, wenn er sie blöd anguckt.

Zur Ehre gehört es auch, den Propheten nicht beleidigen zu lassen. Wenn die Ehre bedroht wird, gibt es eine große Loyalität zwischen arabischen Stämmen und Völkern.

Die Demütigung, auf der „falschen Seite“ zu leben

Der Konflikt zwischen Nord und Süd, Reich und Arm wird uns irgendwann einholen, auch wenn die Grenzen nicht mehr ganz so akkurat laufen. Die Ausnahme Kuwait bestätigt da die Regel. Machen wir uns nichts vor: wir – Sie und ich – haben Glück gehabt, auf der „richtigen“ Seite der Erde geboren zu sein.

Der Islam ist auf der „falschen“ Seite der Erde und es wächst die Bereitschaft, das nicht mehr hinzunehmen. Denn merkwürdigerweise scheinen auf der „richtigen Seite“ nicht nur Wohlstand und Macht, sondern auch die richtige Kultur, die richtige Religion, das Recht aufAtomkraft, im Zweifelsfall das alleinige Recht auf Menschenrechte und das alleinige Recht auf Gewaltanwendung versammelt zu sein.

Das spitzt sich in den letzten Jahren immer mehr zu:
– die ungerechte Behandlung des palästinensischen Volkes (ja, die gibt es)
– die Behandlung der Migranten als Menschen zweiter Klasse, nach dem (ja, die gibt es, auch wenn viele Migranten die Freiheiten unserer Gesellschaft genießen)
– Die Behandlung der Gefangenen des Irak-Krieges empört auch Muslime, die die Diktatur im Irak oder im Iran bekämpfen.

Das Gefühl, das mit zweierlei Maß gerechnet wird

Wenn wir uns einen Moment in die „andere Seite“ versetzen, ist das ja nicht ganz von der Hand zu weisen.

Die Genfer Konvention wird für Gefange außer Kraft gesetzt. Israel kommt niemals vor den Sicherheitsrat. Atomkraft produzieren zu wollen, könnte für den Iran zum Krieg führen, Atomwaffen zu besitzen ist für die USA eine gute Sache, Frankreich darf drohen, sie einzusetzen.

Um Himmels willen, ich würde niemals einem Staat, dessen Präsident droht, „den Feinden die Hände abzuhacken“, Atomwaffen in die Hand geben wollen.

Ich bat Sie nur, sich einmal in die Gedanken der anderen Seite zu versetzen und Sie verstehen, dass ich Angst habe?
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Dieser Beitrag ist Teil III von
Meine Sicht der Dinge: Der Karikaturenstreit

Mehr dazu demnächst im Teil 4: „Der Kampf der Kulturen ist ein Kampf der Unkulturen“

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