Mein Leben lang war ich ein absolut unsportlicher Typ. Die letzten zwei Jahre meiner Schulzeit bin ich überhaupt nicht mehr in den Sportunterricht – „Leibeserziehung“ hieß das damals – gegangen. Ein paarmal wurde ich vor den Direktor zitiert, der mir drohte, dass ich im Zeugnis eine „6“ – ungenügend – bekäme. Das haben sie nie wahrgemacht und so habe ich eine „mangelhaft“ bis ins Abiturzeugnis mitgeschleppt. Mir war das mehr oder weniger egal, obwohl auch mein übriges Zeugnis eher ausreichend als gut war.
Aber noch viele Jahre habe ich davon geträumt, dass ich mich weigere, in den Sportunterricht zu gehen.
„Sportabitur“ musste ich trotzdem machen, dazu musste ich schwimmen. Nach einer Bahn bin ich aus dem Wasser gestiegen und habe über Zahnschmerzen geklagt. Auf meine Badehose hatte ich mir demonstrativ das Abzeichen meiner Lebensretterprüfung, die ich immerhin geschafft hatte, genäht.
Unser Sportlehrer war in meinen Augen ein Nazi, „Zack-Zack-Zack“ brüllte er zu unserem Laufen. Wie gesagt, ich weigerte mich, das mitzumachen.
Der tiefere Grund war aber wohl, dass ich einfach schlecht war. In allem der Schlechteste. Der Kleinste sowieso. Bei Mannschaftsspielen wurde ich nie gewählt. Demütigend.
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Als ich 16 war, fuhr unsere Klasse für einen Monat an die Ostsee in die „Kurzschule“. Da wurde man gedrillt in ebendiesen Leibeserziehungen, in Pullen (nicht Pullern – Pulen sagen die Seebären zum Rudern), im Klettern auf den Tampenanlagen, in Seenotrettung und Feuerwehrdienst“.
In der ausführlichen Schlussbeurteilung las man dann
In den Leibesübungen hielt sich Horst-Peter anfangs sehr stark zurück. Ihm fehlte das nötige Vertrauen zur eigenen Leistungsfähigkeit und der Wille, auch stärkere körperliche Beanspruchungen durchzustehen. Erst gegen Ende des Kurses, als er merkte, daß mit Fleiß und Ausdauer die Anforderungen auch für ihn erreichbar waren, zeigte er großen Einsatz und erfreuliche Aktivität. Dadurch gelang es ihm noch im letzten Moment, die Bedingungen für einen Standard zu erfüllen.
Im Nachhinein muss ich dem „Wachführer“, wie sie die Lehrer dort nannten, zustimmen.
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Ich habe mich mit meiner Unsportlichkeit gut eingerichtet. Bin immer ganz gern Fahrrad gefahren, aber nur, wenn die Umgebung schön war. Sonst eigentlich nix. Schließlich muss man nicht in allem gut sein. Singen kann ich ja auch nicht.
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Nach meiner Herzoperation im letzten Jahr war klar: wenn ich nicht bald sterben will, muss ich etwas ändern. Also habe ich 15 Kilo abgenommen und gehe seitdem zweimal in der Woche in die Muckibude. Und es macht mir Spaß.
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Diese Woche habe ich mir ein neues Spielzeug zugelegt. Eine Uhr, die über Brustgurt die Herzfrequenz übermittelt und aufzeichnet. Außerdem – für mein Fotografieren ein toller Nebeneffekt – zeichnet sie die GPS-Signale auf.
Das Wichtigste aber, es gibt umfangreiche Analyse-Tools. Das hier ist zum Beispiel die Darstellung meines heutigen Trainings in der Muckibude:
Man kann damit auch einen „Fitnesstest“ machen. Da ich ja immer eher skeptisch bin, habe ich im Internet recherchiert. Tatsächlich ist die Methode, die angewandt wird, sportmedizinisch aussagekräftig. Im Ruhezustand wird die Herzfrequenz über 5 Minuten aufgezeichnet. Der wichtige Wert dabei ist die „Variabilität“, also welche Schwankungen die Herzfrequenz aufweist. Je mehr, je besser, je flexibler das Herz. Die ermittelten Werte werden in Bezug gesetzt zu Alter, Gewicht, Größe und Bauchumfang und stehen dann in einem signifikanten Verhältnis zur körperlichen Leistungsfähigkeit.
Und was soll ich Ihnen sagen:
Ich war baff.
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Sie merken schon, warum ich das schreibe. Ich bin stolz wie Oskar. Einer, der nie Sport gemacht hat, merkt, dass er auch etwas erreichen kann.
Nein, übertreiben werde ich es nicht.