Es ist Montagmorgen und ich habe noch etwas Zeit zum Plaudern. Die neue Arbeitswoche hat begonnen und ein Blick in meinen Kalender zeigt mir, dass das „Sommerloch“ vorbei ist. Die Termine häufen sich.
Ich schreibe „Arbeitswoche“, weil für Christen die Woche am Sonntag beginnt. Man könnte ja deshalb sagen, für einen Pfarrer beginnt dann die Arbeitswoche doch auch am Sonntag. Aber ich denke da anders. Gottesdienst zu feiern, ist für mich keine Arbeit, sondern gemeinsames Feiern.
Also heute geht der Ernst des Lebens wieder los. In Hessen auch für die Schulkinder. Apropos Schulkinder. Meine Liebste unterrichtet in einer Vorklasse. 5 jährige Zwerge. Dieses Jahr beginnt die „Hasengruppe“. Die unsägliche Rektorin hat angeordnet, dass auch da einmal in der Woche 6 Stunden Unterricht sein muss.
Glücklicherweise müsse die Zwerge in der Vorklasse nicht 6 Stunden stillsitzen, sondern zwischendurch wird auch mal gespielt. Trotzdem: was man den Kleinen da zumutet, ist unzumutbar.
Ich hatte in der ersten Klasse nur 2 Stunden Schule. Fräulein Käthler unterrichtete von 8 bis 9.30 Uhr zweite und von 9.45 bis 11.15 die erste Klasse. So war das. Und „wir haben schließlich auch was gelernt“, oder?
Montagsmorgens stehe ich um 5 Uhr auf, trinke mit meiner Liebsten eine Tasse Kaffee und dann fährt sie mich zum Bahnhof. So kann ich morgens schon eine Stunde was lesen.
Das sollte eigentlich „Die Zahlen der Toten“ von Linda Castillo sein. Aber gestern habe ich mich für ein Mittagsschläfchen ins Bett gelegt und die Dummheit begangen, ihn mizunehmen und weiterzulesen. Nach zwei Stunden hatte ich ihn ausgelesen und konnte unausgeschlafen wieder aufstehen.
Schon da überkam mich Panik, was ich heute im Zug lesen sollte. In meiner Not griff ich zu einem kleinen Band, der schon lange von mir gelesen werden will: „Die Kunst des Bücherliebens“ von Umberto Eco. Nicht gerade die spannendste Lektüre für eine Zugfahrt um Viertel vor Sechs, aber in der Not frisst der Teufel Fliegen.
Ich hatte bis heute morgen geglaubt, Bücherlieben sei keine Kunst. Manche täten es einfach und andere nicht. Aber anscheinend ist es wirklich eine Kunst. Mal sehen, ob meine Bücherliebe groß genug ist, um den Band zu Ende zu lesen.
Lange lateinische Zitate ohne Übersetzung finde ich eine Zumutung. Aber andererseits habe ich auch schon hübsche Passagen gefunden, zum Beispiel wo er aus Joyce‘ Ulysses zitiert.
Da geht Leopold Bloom jden Morgen – wie ich – mit einer Zeitung zum Klo. Dabei liest er. Zitat: „In Ruhe las er, seinen Drang noch unterdrückend , die erste Spalte und begann, schon nachgebend, doch mit Widerstreben noch, die Zweite. Auf ihrer Mitte angelangt, gab er seinen Widerstand auf und erleichterte seinen Eingeweiden, sich zu erleichtern, ganz so gemächlich, wie er las, und immer noch geduldig lesend, die leichte Verstopfung von gestern ganz verschwunden.“
Eco rät dem Leser, ruhig damit anzufangen, Bücher auf der Toilette zu lesen.
Das lesend, war ich sehr irritiert über die Vorstellung, dass es Menschen geben könnte, die ohne Lesestoff auf die Toilette gehen.
Heute morgen lese ich in der Zeitung, dass in Japan Hunderte von über 100jährigen vermisst werden. Ich dachte zuerst an einen „Tatort“, in dem ich erfahren hatte, dass alte Chinesen oft spurlos verschwinden. Aber da ging es um Chinesen in Deutschland, die werden einfach durch Jüngere ersetzt.
In Japan scheint es so zu sein, dass sie von niemandem vermisst werden, weil die Familien sich nicht mehr um sie kümmern. Bisher war ich so naiv zu glauben, dass in Japan alte Menschen geehrt werden und die Familienbande stärker ist als bei bei uns. Jedenfalls hat das meine Neugier geweckt.
Hinter mir liegt ein Wochenende, wie es sein soll: Freitagabend und Samstagabend bei Freunden eingeladen, bei schönem Wetter einmal gegrillt und einmal bei einem Spanier im Garten gesessen – was will man mehr. Da kann der Sonntag ruhig mal verregnet sein.
Der Sonnntagabend ist ja immer für den Fernsehkrimi reserviert. Innerlich vorbereitet hatte ich mich auf einen „betulichen“ Polizeiruf, so hieß es etwa in einer Vorkritik, „Hausmannskost“. Aber ich war angenehm überrascht. Nicht unspannend. Und eine süße neue Kommissarin mischt die beiden Alten mal ein bisschen auf.
Ein bisschen musste ich natürlich trotzdem schlafen wegen des verpatzten Mittagsschlafs. Aber nur ein bisschen, das Wichtigste habe ich mitgekriegt und wie immer war ich rechtzeitig für den spannenden Teil wieder wach.
Ich wünsche Ihnen eine gute Woche.
Ach so. Der Wochenspruch heißt: „Gott widersteht den Hoffährtigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.“
Das Wort „hoffährtig“ wäre auch mal einen Blogpost wert. Mal sehen
Anonymous 16. August 2010
was für ein schöner, mich schmunzeln lassender eintrag mitten aus deinem leben gegriffen *freu* das kleine eco-büchle kenne ich auch, und natürlich das joyce-zitat, habe ich mich doch schon mindestens dreimal durch den ulysses gefochten, erst auf deutsch, dann auf englisch und nochmal auf deutsch und jenes sagenhafte ende, der innere monolog ist immer noch irre …
hab eine schöne woche!
ed poe