Letzte Woche war ich beim Friseur. Nachdem meine Liebste mir schon einmal, was sie selten tut, einen dezenten Hinweis gegeben hat, musste das wohl sein. Nach über drei Monaten hatten sich seitlich schon Löckchen gekräuselt, was manchem Rabbi zwar gut anstehen würde, aber selbst da nur den orthodoxeren.
Friseurbesuche pflege ich wie Zahnarztbesuche lange hinauszuschieben, im Grunde solange, bis mir die Zähne weh tun und die Haare über die Augen gewachsen sind. Was heißt „Besuch“ – welch verharmlosender Begriff für solch einschneidende Erlebnisse, wobei man beim Friseur im Gegensatz zum Zahnarzt nicht einmal eine Betäubung bekommen kann.
Jetzt fragt sich ein normaler Mensch, wie Sie es hoffentlich sind, natürlich, was denn an einem Friseurbesuch so schlimm sein soll.
Ich will versuchen, Ihnen eine ehrliche Antwort zu geben.
Ich betrete den Friseursalon mit Angstschweiß auf der Stirn weil ich weiß, dass ich in diesem Etablissement verpflichtet bin, zur Unterhaltung der Coiffeuse beizutragen.
Glücklicherweise bekommt man meist noch eine kleine Atempause, weil immer noch jemand vor einem dran ist. Dann vertiefe ich mich sofort in eine der ausliegenden Frauenzeitschriften oder „Schöner Wohnen“.
„Sie dürfen ruhig die Zeitschrift mitnehmen…“ sagt dann die nette junge Dame meist, wenn sie mir einen Sessel zuweist. Das mache ich auch. Aber als feinfühliger Mensch merke ich natürlich, wie die Stimmung sofort sich dem Gefrierpunkt nähert, wenn ich beim Haareschneiden Zeitung lese.
Nein, man muss sich unterhalten. Warum fällt nur mir das ausgerechnet so schwer? Die Dame links neben mir plaudert angeregt über die Mode, das Mädchen rechts von mir erzählt von ihrer ersten Liebesnacht. Nur mir fällt nichts ein.
Nicht einmal auf die Frage: „Wie soll ich Ihnen denn machen?“ (oder so ähnlich), weiß ich eine sinnvolle Antwort zu geben. „Ach, kürzer..“ sage ich dann, „überall etwas, aber nicht so sehr“ und fahre zur Erklärung einmal mit der Hand um den Kopf herum.
London. (…) Die Anwaltskanzlei Thretowans zahlt Friseuren, die ihr neue Klienten vermitteln, eine Provision von 75 Pfund (umgerechnet rund 111 Euro) wie die Londoner Tageszeitung Daily Telegraph berichtete. Dabei setzen die Juristen auf die Erfahrung, dass viele Kunden beim Friseur mehr vom privaten Glück und Leid berichten als anderswo…
Frankfurter Rundschau, 02.09.06
Bei manchen Blogeschreiberinnen und -schreibern frage ich mich allerdings auch, ob die denn keinen Friseur haben…
Ich muss jetzt erst mal Frühstücken gehen und dann erzähl ich Ihnen noch mehr Geschichten vom Friseur.
Loco_just_Loco 10. September 2006
Hm. Nein, ich hab keinen Friseur, entsprechend seh ich auch aus… :))