Eine Glocke ist ein einmalig schlagender Beweis, soviel ist sicher. Was aber ist eine Glockenblume?
Gerade hat unsere Glocke sechs geschlagen und mich daran erinnert, dass ich hier im Blog wieder einmal etwas schreiben sollte. Für alle, die mich schon sooo sehr vermisst haben und wissen, dass ich schon geschlagene zwei Wochen aus Korsika zurück bin.
Ja, es war ein wunderbarer Urlaub und ja, wunderbare Bilder habe ich mitgebracht und ja, gutes Essen gab es. Vielleicht erzähle ich ja auch noch was davon.
Unsere Turmglocke schlögt zu zivilen Zeiten: um 8, um 12 und um 18 Uhr. Die Turmglocke meiner Heimatkirche war da anders: die hat jede Viertelstunde ein, zwei, drei oder viermal geschlagen, und zu jeder Stunde außerdem die Zahl der Stunden und das Tag und Nacht. Gestört hat es niemanden. Wer schlief, hat sie nicht gehört und wer nicht schlief, war froh, die Zeit zu hören. In meiner ersten Gemeinde hatte ich einen Knopf für die Glocken in meinem Kellereingang. An Silvester hat mein beschwipster Freund schon um zehn das neue Jahr eingeläutet.
„Bei wem kann man sich beschweren?“, hat mir dieser Tage ein Mensch gemailt. „Bei mir“, habe ich ihm geantwortet und zu einem Gespräch zu mir eingeladen. Muss ja nicht um 18 Uhr sein, weil bei mir sind die Glocken arg laut zu hören. Wenns einen stört, jedenfalls.
Weshalb ich Ihnen das alles erzähle. Genau weiß ich es auch nicht. Aber über irgendwas muss ich ja mal wieder schreiben, sonst kann ich es ja gleich bleiben lassen.
Also habe ich mir ausgedacht: probier mal, jeden Tag um 6 ein kleines Foto zu machen, irgendwas, was dir gerade auffällt und darüber einen Satz oder zwei zu schreiben. Heute warens die Glocken.
Faul wie ich bin, wollte ich nicht die Leiter zu den Glocken hoch steigen und als sie mich mit meinem Foto (so sag ich immer zu der Digitalkamera) durch den Garten laufen sah, sagte meine Liebste:
„Fotografier doch mal die Glockenblume“ – obwohl sie, ich schwöre, nichts von meinen Glockengedanken wusste. Ist das nicht Seelenverwandtschaft?
Das Brünnlein rinnt und rauscht
Wohl dort am Holderstrauch,
Wo wir gesessen,
Wie manchen Glockenschlag,
Da Herz bei Herzen lag,
Das hast du vergessen.
Wie manchen Glockenschlag,
Da Herz bei Herzen lag,
Das hast du vergessen.
O Abendlied, o Glockenklang,
Wie rühret mich dein holder Sang.
Weckst Sehnsuchtsdrang in meiner Brust
Nach Jugendzeit und Liebeslust.
Nie kehret mehr des Lenzes Glück
Mit süßem Trug zu mir zurück.
Der Wind, er trugs ins Tal hinab
Ein andrer kommt am Wanderstab.
Und singt und preist dich im Gesang
O Abendlied, o Glockenklang.
„Ich verstehe nicht, was Sie mit Glocke meinen“, sagte Alice.
Goggelmoggel lächelte verächtlich. „Wie solltest du auch ich muß es dir doch zuerst sagen. Ich meinte: Wenn das kein einmalig schlagender Beweis ist.“ – „Aber Glocke heißt doch gar nicht ein „einmalig schlagender Beweis“; wandte Alice ein.
„Wenn ich ein Wort gebrauche““, sagte Goggelmoggel in recht hochmütigem Ton, „dann heißt es genau, was ich für richtig haltenicht mehr und nicht weniger.“
„Es fragt sich nur“, sagte Alice, „ob man Wörter einfach etwas anderes heißen lassen kann.“ “ Es fragt sich nur, sagte Goggelmoggel, „wer der stärkere ist, weiter nichts.“
Lewis Caroll, „Alice hinter den Spiegeln“
Also bis morgen abend.
PercyGermany 19. August 2006
Seelenverwandtschaft
Wenn „die Chemie“ stimmt
Menschen, die einander ein Leben lang kennen, haben sich nie wirklich kennengelernt. Sie hatten fürs Wesentliche keinen Blick, kein Gefühl; es fehlte ihnen die unmittelbare Gewißheit.
Fremde treffen sich erstmals in ihrem Leben. Sie kommen von weit her und erkennen sich auf den ersten Blick. Fühlen eine innere Verwandtschaft. Einer versteht den andern. Es ist, als ob sie ein Leben lang auf dieses Zusammentreffen gewartet haben.
Jeder Mensch hat seine Bestimmung, auch die für ihn bestimmte „andere Hälfte“: den für sie, für ihn – a priori, mit der Geburt, mit der Zeugung, von Anfang an – bestimmten Partner, die Partnerin. So sagen die Weisen.
Transzendente Energie führt die Menschen zusammen, die zusammengehören. Wir nennen es Liebe.
„Genetisches Wissen“?
Bestimmungen unterliegen keiner Wahl, obwohl jeder glaubt, mit dem Partner eine Wahl getroffen zu haben. Es sind von der Zeit unabhängige, vor der Zeit gesetzte Beziehungen, die wir uns nicht erklären können. Wir sprechen von Zufällen oder Wundern und wissen zugleich, daß Gott mit solchen Mitteln arbeitet.
Nicht nur Individuen, ganze Familien kommen zusammen. Neue Gestirne bilden sich. Das dritte Auge sieht Emanationen. Im geheimen kindlichen Selbstverständnis sprudelt die Quelle: Sendungsbewußtsein breitet Wesen und Bestimmung vor sich aus. Phantasie und Intelligenz bilden die prophetische Instanz. Äußere Bedingungen fördern oder hindern. Geschick ist Auftrag und Zufall, Sendung und Empfang.
Du arbeitest auf etwas Bestimmtes hin, ohne zu wissen, daß du deinem Gesetze folgst. Ohne metaphysische Intuition bleiben uns solche Einblicke – in kosmische Dimensionen – fremd.
Ein Mann denkt nach und schreibt seit vielen Jahren über die Maya-Kultur, der er eine große Bedeutung zumißt. Durch seine Enkelkinder ist er mit den alten meso-amerikanischen Völkern fast über Nacht verwandt geworden. Sie sind seine Familie. Er ist ein Verwandter von Inka- und Maya-Nachkommen. Sie haben sich wiedererkannt, in kleinsten Eigenheiten wiederentdeckt.
Private Schicksale sind Langzeit-Fügungen Gottes. Das prozessuale Wunder zog sich über Epochen hin.
Jesu Erscheinen zu Beginn des dritten Jahrtausends ist ein Geschenk seelischen Einvernehmens.
Wir Menschen sind alle miteinander verwandt.
Ein theoretisch richtiger Gemeinplatz, der uns allerdings nicht erklärt, warum wir mit Nachbarn, Kollegen, nahen Anverwandten uns nicht „vertragen“. Die „Chemie stimmt“. Der detonative Stoff verträgt sich irre Mischung mit dem irrsinnigen Zweck. Nach der Explosion, vom Kriege erschöpft, gilt alle Sehnsucht der Ruhe, dem Frieden und der Harmonie.
Schlägt hier eine genetische Erinnerung – an falsche Entscheidungen – durch? Oder werden Entscheidungen, zu ihrer Zeit richtig getroffen, neu gewertet und umdirigiert?
Historische Umstände lassen uns an universalen Neugestaltungen teilhaben, von denen wir träumten.
Das Rätsel ist wunderbar und kosmo-logisch: Der Mann hat unter den Maya und Inka seine Brüder und Schwestern, seine Kinder und Seelenverwandten wiedergefunden.
Was hat sie zusammengeführt?
Der Himmel schüttelte sich. Die Sternenwürfel sind gefallen. Mikrobische Antagonismen, Leonidenstürme zerschießen, was über die Zeiten verwuchs. Was nicht mehr zusammenpaßt, springt auseinander. Wie plötzlich umgepolt, brechen alte Ordnungen entzwei, zerreißen Zusammenhänge, entstehen neue Bindungen, die, je neuer, um so älter sind.
Findet unterderhand eine Globalisierung statt, an die niemand denkt, der das Wort in den Mund nimmt?
Kommen wir auf Anfänge zurück, die keine sind?
Dieselbe Geschichte werden wir noch einmal, ja wieder und wieder erzählen.
Wir kennen die Pläne nicht, befolgen sie, gehorchen einem Willen, ohne zu wissen, was wir in diesem Grunde eigentlich tun. Unsere Einsichten sind begrenzt. Sie reichen so weit, wie wir sehen müssen, um nicht fehlzutreten auf dem vorbestimmten Pfad.
Denken wir darüber nach, fällt uns bestimmt etwas ein, und wenn wir Glück haben, sogar was Richtiges.
Ausstreuen und wieder einsammeln, säen und ernten. Das sind Behelfsmetaphern. Im Moment sieht es nach Ernte aus: einer Synchronisierung der Geschichte. Ihrer Mythologisierung. Oder einer Geschichtswerdung von Mythen.
Auch die Offenbarung scheint zwei Seiten zu haben.
Du kommst dir entgegen.