Mastodon Leben kann tödlich sein – nichtallzufromm
nichtallzufromm

Seite für Reisen, Fotografie und Gott und die Welt

Leben kann tödlich sein

Kann nicht nur, sondern ist es immer. Höchstens bei Johannes Heesters vielleicht nicht, aber wahrscheinlich wird auch er irgendwann einmal sterben.

Etwas lächeln musste ich deshalb schon, als seine Frau sich neulich bitter beschwerte, dass er vom Empfang beim Besuch Königin Beatrix wieder ausgeladen wurde. „Die Aufregung kann ihm das Leben kosten“, meinte sie. Das wäre mit 107 doch etwas jung, oder? Es ist halt so: die Sterblichkeitsrate von uns Menschen liegt noch immer bei 100%.

1919 forderte der polnische Pädagoge Janusz Korczak eine „Magna Charta Libertatis“ mit Grundrechten für Kinder, darunter

Das Recht des Kindes auf seinen eigenen Tod

Das klingt befremdlich.

Was er meint: Leben setzt Bereitschaft zum Risiko voraus. Denn nur, indem wir Risiken eingehen, machen wir Erfahrungen. Ein Kind, das nur an der Hand in die Schule geführt wird, wird keine eigenen Schritte gehen.

„Aus Furcht, der Tod könnte uns das Kind entreißen,
entziehen wir es dem Leben;
um seinen Tod zu verhindern, lassen wir es nicht richtig leben.“
Janusz Korzak

So weit, so gut. Aber als ich den Satz das erste Mal las, schockte er mich dennoch sehr. Ich wusste, er war wahr. Aber unsere Tochter war klein und beim Gedanke, ihr könne etwas zustoßen, krampfte sich in mir das Herz zusammen.

Das tut es noch heute. Inzwischen ist meine Tochter 28, lebt in Wien und ich weiß, dass ich sie nicht beschützen kann. Aber innerlich ganz akzeptieren kann ich das immer noch nicht.

+++

Viele leben so, als haben sie den Gedanken, dass Leben immer tödlich sein kann, völlig akzeptiert.

Selbstverständlich gehe ich bei Rot über die Straße, das tut man in Frankfurt so. Selbstverständlich rase ich über die Autobahn.

Warum scheue ich mich dann manchmal, das zu tun oder zu sagen, was ich als richtig erkannt habe?

+++

Janusz Korczak leitete ein jüdisches Waisenhaus. Als die Nazis befahlen, die Kinder ins Vernichtungslager zu bringen, ist er mit ihnen singend vorangegangen.

Die Tageslosung für heute steht in Psalm 119:

Mein Leben ist immer in Gefahr
aber dein Gesetz vergesse ich nicht.
Psalm 119,109

Weiter Beitrag

Zurück Beitrag

3 Kommentare

  1. Ebenen 14. Mai 2011

    Jetzt musste ich tatsächlich etwas staunen über diesen Beitrag.

    Ich mache mir in letzter Zeit oft Gedanken, was ich früher eher nicht tat. Ob die sogenannte zweite Lebenshälfte das Bewusstsein über diese Tatsache mit sich bringt oder meine momentane extreme Erschöpfung dazu beiträgt, das weiss ich nicht mal.

    Bis vor ca. einem halben Jahr war es nicht Teil meiner Gedanken, dass ich durch einen Unfall oder eine Krankheit heute oder morgen sterben könnte. Irgendwie erhob ich als alleinerziehende Mutter von vier Kindern einen momentanen Unsterblichkeitsanspruch… und jetzt vergeht keine Woche, wo ich nicht darüber nachdenke, was denn wäre, wenn ich auf einmal unerwartet sterben würde.

    Ich frage mich schon, ob ich das als Zeichen annehmen müsste und gewisse Dinge regeln sollte.

    Ich rase tatsächlich nicht mehr so schnell über die Autobahn schlafe Nachts mehr… und horche, und versuche zu verstehen, warum auf einmal die Gedanken ums Sterben da sind.

    🙂 Ein Bekannter von mir war dann kürzlich etwas erstaunt, wie mir schien, als ich ihm die Frage stellte, ob es etwas gäbe, was ihm lieber wäre, das es niemand finde.. wenn er morgen nicht wieder aufwachen würde? Er überlegte nicht lange und verneinte.. und schon kam die Gegenfrage 🙂

    Mit der Möglichkeit ein Kind zu verlieren, musste ich mich schon mehrmals auseinandersetzen. Mein zweiter Sohn musste einst nach einem epileptischen Anfall reanimiert werden. Er berichtete sehr eindrücklich von seiner Nahtoderfahrung und so hatte sich dann meine Sorge und Angst irgendwie verändert. Es ist keine Frage, der Schmerz wäre unvorstellbar.. und doch, rang genau dieser Bub nicht nur einmal um sein Leben und die Auseinandersetzung mit dem Tod eines Kindes drängte sich auf. Wenn ich damals die Lebensqualität meines Sohnes betrachtete und das Strahlen sah, als er von seiner Nahtoderfahrung sprach, dann hatte ich irgendwie das Gefühl als Mutter niemals den Anspruch erheben zu dürfen, am Leben eines geliebten Menschen zu klammern.

    Meine zwei Kleinen habe ich nach der Impfschädigung ihres grösseren Bruders nicht geimpft und prombt bekamen sie beide, (angesteckt durch geimpfte Kinder) den Keuchhusten. Er ist ihnen auch nach vielen, vielen Jahren noch in Erinnerung, vorallemh die Todesangst die sie damals hatten in den endlosen und erschöpfenden Hustanfällen.

    Ich begann vieles neu zu bewerten für mich und merkte, dass der Tod seine Angstmachende Macht etwas verliert, wenn man mit den Menschen im Reinen ist, wenn man das Bewusstsein in sich trägt: „Mein Kind weiss, wie sehr ich es liebe.“ So bekam für mich auch die Bibelstelle.. ich weiss sie nicht auswendig.. (sinngemäss) dass die Sonne nicht über unserem Streit untergehen soll.. eine unendlich grosse Bedeutung für mich.

    Tja, so sollte ich vielleicht auch mit mir leben lernen.

    • Sabi57 15. Mai 2011

      Dein letzter Satz hat mich heute morgen sehr beeindruckt, genau das ist wohl unsere größte Schwierigkeit, lernen mit uns selber zu leben! Ich übe, aber manchmal könnt ich glatt dran verzweifeln! lg

Antworten

© 2024 nichtallzufromm

Impressum - Datenschutz - Cookie Einstellungen