Ich wollte niemanden beunruhigen, als ich Anfang Mai fragte, warum es im Mai so gefährlich sei. Und so habe ich mich mit der Antwort begnügt, dass im Mai die Bäume ausschlagen.
Heute, am 1. Juni, kann ich Ihnen erzählen, dass es eine weitaus beunruhigendere Antwort gibt. Denn wir sind noch einmal davongekommen.
Seit meiner Kindheit begletet mich jedes Jahr, wenn es auf Ende Mai zugeht, die bange Frage, ob in diesem Jahr am 30. Mai die Welt untergehen wird. Glücklicherweise ist das bis heute nicht passiert und ich kann für 365 Tage aufatmen.
Es war nur ein Karnvealsschlager und weiß der Himmel, was die Leute ein paar Jährchen nach Kriegsende getrieben hat, sich auf die Schenkel klopfend oder schunkelnd zu singen:
Am dreißigsten Mai ist der Weltuntergang
wir leben nicht mehr lang
wir leben nicht mehr langam dreißigsten Mai ist der Weltuntergang
wir leben nicht, wir leben nicht mehr lang.
Doch keiner weiß in welchem Jahr
und das ist wunderbar.
Wir sind vielleicht noch lange hier
und darauf trinken wir.
Dass mir der Vers nie mehr aus dem Kopf gegangen ist, zeigt ja, dass er mich – na sagen wir – zumindest írritiert hat. Seitdem weiß ich zumindest, dass es einen Weltuntergang geben könnte.
Wir sind vielleicht noch lange hier
und darauf trinken wir.