So unterschiedlich wir im Einzelnen sein mögen – eines habe ich jedenfalls mit dem lieben Gott gemeinsam: ich suche den Schatten.
In der Hitze leide ich und Sonne mag ich eigentlich nur im Schatten. Dann lässt sichs aushalten.
Der liebe Gott macht’s genauso. Dabei sollte man ja eigentlich meinen, Gott sei einer, dem Hitze und Kälte nichts anhaben können.
Sie wissen wahrscheinlich: als Gott die Erde schuf, hat er sich zuerst einmal einen Garten angelegt. Dorthinein hat er die beiden Menschen gesetzt.
Aber jetzt kommt’s. Auch Gott selbst hat kleine Spaziergänge in seinem Garten unternommen. Aber wann sonst als „in der Abendkühle“?
Wie ich ihn verstehen kann.
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Während ich das schreibe, regnet es draußen. Kein schöner Tag, dabei sollte es doch dem Sommer entgegen gehen… Der Zeit, in der Sonne und Schatten sich so herrlich ergänzen.
Den halben Tag habe ich heute wieder beim Arzt verbracht. Nette und – was natürlich in dem Zusammenhang völlig unerheblich ist – hübsche Arzthelferinnen haben mir Blut abgezapft und Gleichgewichtstests durchgeführt.
Beim Stichwort „Gleichgewicht“ dachte ich, ich müsste vielleicht auf einer Linie balancieren. Oder ich würde wie eine Kreisel rumgedreht…
Aber nee, man bekommt heißes Wasser durch die Ohren gespült und dabei werden die Augenbewegungen gemessen – oder so ähnlich. Nicht sehr angenehm – aber wenn’s der Wahrheitsfindung dient.
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Danach eine Stunde Infusion. Ich sage Ihnen: es kann einem langweilig werden dabei. Zum Glück habe ich ja meinen Reader, den ich einhändig halten und gleichzeitig blättern kann.
Leider war der Krimi, den ich runtergeladen hatte, Schrott. Und so war ich sozusagen gezwungen, zwischen Krimi, Smartphone und Langeweile hin- und herzuzappen.
Dabei sollte ich ja eigentlich abschalten – gar nicht so einfach.
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Um noch einmal auf die Arzthelferinnen zurückzukommen, will ich Ihnen kurz noch einmal von besagtem Spaziergang des lieben Gottes in der Abendkühle erzählen.
Der dachte wahrscheinlich, er könnte ein kleines Schwätzchen mit Adam und Eva halten. Aber er sah sie nirgends.
Deshalb rief er
Wo bist du, Adam?
„Ich habe mich versteckt“, rief Adam zurück. „Ich bin nackt“.
Adam und Eva hatten, so erzählt die Bibel, vom prächtigsten Baum in der Mitte des Gartens gegessen und jetzt wussten sie, dass sie nackt waren.
Woher auch immer, denn man muss wohl sowas wie Kleidung kennen, um zu wissen, was „nackt“ ist.
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Dass Nacktsein etwas ist, wofür man sich schämt, gehörte in meiner Kindheit zu den Selbstverständlichkeiten, wahrscheinlich für die meisten Menschen dieser Zeit.
Aber musste das Versprechen der Schlange: „Ihr werdet wissen, was gut und böse ist – und so werdet ihr Gott gleich sein“, eine so triviale Erfüllung finden?
Jedenfalls waren die paradiesischen Zustände vorbei.
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Ach ja, ich wollte ja uf die Arzthelferinnen zurück kommen. Wären mir da an meiner Infusion paradiesische Zustände lieber gewesen?
Gott bewahre! Es hatte durchaus etwas Gutes, dass mit der Vertreibung aus dem Paradies uns Menschen ein Stückchen Zivilisation aufgezwungen wurde – wenn wir es manchmal auch damit übertreiben
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Gott der HERR rief dem Menschen und sprach zu ihm:
Wo bist du?
Er sprach: Ich hörte dich im Garten;
da fürchtete ich mich.
sagt die Tageslosung (Genesis 3, 9+10) für heute.
Schön die Vorstellung, dass Gott in der Kühle des Abends nachschaut, ob er mich findet.
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Aber ist Verstecken vor Gott nicht ein bisschen wie früher, als ich mir die Augen zugehalten habe und dachte, meine Mutter könne mich so nicht sehen?
espressito 12. Juni 2012
ja, da ist was dran. nacktheit hat etwas spannendes, wenn man auch weiss was kleidung ist. sonst ist es mit der spannung essig … 😉
lg e