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Gott für alle Menschen bitten?

In unserer Nachbarkirche, der Friedenskirche im Gallus,

hängt an der Stirnwand über dem Altar Jesus mit weit ausbreiteten Armen. So wurde Jesus ans Kreuz geschlagen. Aber es ist kein Kreuz zu sehen. Und so sehen wir etwas anderes: diese ausgebreiteten Arme werden zu Armen, die segnend uns zu umfassen scheinen. Aber nicht nur uns.

Sicher kennen Sie von Bildern die gewaltige Christusstatue,

die über der Millionenstadt Rio de Janeiro steht. Die Arme haben eine Spannweite von 28 m. Christus umarmt die ganze Welt. Auch über Lissabon steht ein die Welt umarmender Christus. Er wurde nach dem 2. Weltkrieg gebaut als Dank, dass die Stadt und das Land vom Krieg verschont blieb.

Christus umarmt die ganze Welt.

Das ist, finde ich ein wunderbares Bild, das mich immer wieder beglückt, wenn ich den Christus in der Friedenskirche sehe.
So will ich mir Gott auch vorstellen. Ein Gott, der die ganze Welt umarmt.

Für einige Gedanken bin ich Pastor Dr. habil. Günter Scholz dankbar (Heidelberger Predigtforum)Für uns Menschen ist dieser Anspruch zu hoch. Nur wenn es uns überschwänglich gut geht, wenn einer über Hals und Kopf verliebt ist, dann sagen wir „ich könnte die ganze Welt umarmen“.

Aber wenn wir dann genauer hinsehen, nicht wahr, fallen uns schon einige Ausnahmen ein. Der Arzt, der meinen Blinddarmdurchbruch nicht bemerkt hat. Der Lehrer, der mich in der Schule gequält hat. Die Nachbarin, die immer den Dreck vor unsere Tür fegt. Den Trottel, der mir die Vorfahrt nimmt.

Muss man die Betrüger umarmen,

die Mörder und Totschläger, die von der anderen Partei? Nein, das müssen Sie nicht. Wir Menschen tun gut daran, nicht die ganze Welt umarmen zu wollen, sondern uns auch Abstand zu halten.

Im Musical „Anatevka“, das uns das Leben im jüdischen Schtetl in Russland schildert, wird gefragt:
Gibt es einen Segen für den Zaren? Und der Milchmann Tevje singt: Ja, Gott schütze ihn und halt‘ ihn uns vom Leibe.

Aber Gott? —

„Gott will, dass allen Menschen geholfen werde“. Wie muss ich mir das vorstellen? Werde ich im Himmel auf Adolf Hitler treffen, den Menschenschlächter, dessen Regime gestern vor 65 Jahren endete? Oder auf all die anderen, an deren Händen Blut klebt?

Ich weiß es nicht.

Der Theologe Jürgen Moltmann wurde in einer Vorlesung gefragt, ob er denn überhaupt noch an die Hölle glaube. Man habe den Eindruck er predige nur noch Versöhnung. Moltmann darauf: „Natürlich glaube ich, dass es eine Hölle gibt. Aber keiner kann mich zwingen, zu glauben, dass dort auch jemand drinsitzt.“

Dass allen Menschen geholfen werde, will Gott.

In dieser Woche wurde in Niedersachsen zum ersten Mal eine Muslimin als Ministerin vereidigt. Sie leistete ihren Eid „so wahr mir Gott helfe“. Viele Politiker oder Beamte, die einen Eid leisten müssen, lassen diesen Zusatz heute weg.
Aber man hörte ein Aufheulen in unserer ansonsten ja nicht mehr so christlichen Gesellschaft.

Darf die das? Sich auf Gott berufen? Das ist doch unser Gott.

Liebe Gemeinde, Es ist ein Gott, lesen wir im Timotheusbrief. Es gibt, so glauben Christen und Muslime und Juden gemeinsam, nicht viele Götter. Es gibt nicht Allah und unseren Herrgott und den Unaussprechlichen Gott der Juden.

Ein Gott, so glauben wir, hat die Welt geschaffen,

ein Gott umarmt die ganze Welt. Freilich glauben Menschen unterschiedlich an Gott. Mag sein, dass es Muslime gibt, die glauben, dass Allah die Ungläubigen strafen wird. Mag aber auch sein, dass das Christen umgekehrt glauben. Jedenfalls haben sie dafür über Jahrhunderte Kriege geführt.

Gott will, dass allen Menschen geholfen werde.

Eine Ermahnung steht da im Timotheusbrief.

Nicht umarmen sollen wir die ganze Welt, sondern für sie beten.

So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen

Fürbitte für alle Menschen.

Fürbitte.

Manche meinen ja, das heiße einfach für etwas bitten. Aber das heißt Fürbitte nicht. Fürbitten heißt: für andere bitten.

Man kann sagen, es gibt zwei Grundformen des Gebets. Beide kommen in unserem Gottesdienst vor: nach Eingangspsalm, Sündenbekenntnis und Gnadenzusage kommt die erste Form. Die finden wir im „Eingangsgebet“ oder „Kollektengebet“. Das heißt nicht so, weil da die Kollekte eingesammelt wird, sondern weil Kollekte sammeln heißt.

Dieses Wort zeigt, worum es in der einen Form des Gebets geht: wir sammeln uns vor Gott. Ich sammle meine Gedanken, und trete damit im Gebet vor Gott.

Es ist eine Zwiesprache mit Gott, bei der es um mich geht und um Gott, um unser beider Verhältnis.
Wo es um unser beider Verhältnis geht, da geht es um mich. Da danke ich, lobe ich, klage ich.

Am Ende des Gottesdienstes, bevor wir einstimmen in das Gebet des Herrn, um mit dem Segen und dem Frieden Gottes wieder uns der Welt und dem Alltag zuwenden, kommt das Fürbittengebet.

Das ist immer ein Gebet für andere, nicht für uns. Und es geschieht in der Hoffnung, dass es etwas bewirkt, wenn wir Gott unsere Fürbitten bringen. Dass wir damit etwas ändern können.

Manchmal vermischt sich das ein bisschen und manchmal müsste ich eine Formulierung genauer bedenken: wenn ich etwa formuliere „vor dir denken wir an die Menschen“ – nein, in der Fürbitte denken wir nicht vor Gott an unseren kranken Nachbarn, sondern wir bitten Gott, dass der Nachbar gesund wird oder wenigstens seine Schmerzen tragen kann.

Und in der Fürbitte ist es auch nicht schön, doch etwas heuchlerisch zu beten – für Sodom etwa, dass es von seinem Weg abkomme. Nein, Abraham bittet, dass Gott es verschont.

Als ich Jungscharleiter wurde,

habe ich von meinem früheren Leiter gelernt: Lege immer einen Zettel mit dem Namen der Jungen unter dein Kopfkissen, damit du für an sie denkst und für sie betest.

Und irgendwann um diese Zeit habe ich dann auch einen Satz gelesen, der mir zu denken gegeben und schließlich gut gefallen hat: „Keine Gebet ohne Zeitung“ hieß der – kein Gebet also, ohne sich für die Welt zu interessieren, sollte das heißen. Und dann ging er weiter: „Keine Zeitung ohne Gebet“. Beten für die Welt.

Fürbittgebet geht sozusagen von innen nach außen.

Wir beten für die uns Nahestehenden und dann denken wir an die Fernen. In der taufe danken wir für die Geburt eines Kindes, um dann daran zu denken, dass das Kind der Nachbarn krank ist, wie viele Eltern um ihre Kinder bangen oder in tiefster Trauer um ihr verstorbenen Kind sind.

Wir beten für die Opfer und denken dann an die Täter. Die Opfer stehen uns näher. Aber die Täter befehlen wir auch der Liebe Gottes an. Sie brauchen sie ja dringend.

In einem Dorf heulen nachts um zwei Uhr die Sirenen

Einer der Bauernhöfe steht in hellen Flammen. Das Wohnhaus kann von der Feuerwehr gerettet werden, aber Stall und Scheune sind verloren. Am anderen Morgen der Verdacht: Brandstiftung! Einer der Helfer schildert drastisch, was er mit „diesem Lumpen“ machen würde, wenn er ihn denn fassen könne. Die dabeistehende Bäuerin aber sagt ganz schlicht: „Ich habe schon für ihn gebetet.“

Alle Menschen, das sind eben nicht nur Freunde und Vertraute
,

sind nicht nur Wehrlose und Opfer, sondern – alle Menschen, das sind auch Mörder und Totschläger, Unzüchtige, Knabenschänder, Menschenhändler, Lügner, Meineidige, Sie alle, die Täter bedürfen ebenso der Fürbitte wie die Opfer. Denn Gott will, dass alle Menschen gerettet werden.

Ich weiß nicht, wie Gott sie aufnimmt und wie Gott das anstellen wird im Himmel. Aber für alle ist Christus gestorben.

So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue
Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen,
für die Könige und für alle Obrigkeit,
damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können
in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit.
Dies ist gut und wohlgefällig vor Gott, unserm Heiland,
welcher will, dass allen Menschen geholfen werde
und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.
Denn es ist e i n Gott und e i n Mittler zwischen Gott und den Menschen,
nämlich der Mensch Christus Jesus,
der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung.

Predigttext 1. Timotheus 2, 1-6a

Für einige Gedanken bin ich Pastor Dr. habil. Günter Scholz dankbar (Heidelberger Prdigtforum)

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3 Kommentare

  1. Anubis 10. Mai 2010

    Ich habe mich am Sonntag in der Kirche schon von dieser Predigt sowas von angesprochen gefühlt… und bin sehr nachdenklich nach Hause gegangen.
    Vor ein paar Jahren bin ich mal peripher mit der hawaianischen Methode des „Ho’oponopono“ in Berührung gekommen, an die ich bei der Predigt sofort denken musste, siehe z.B. hier:
    http://www.thomasklueh.de/blog/empfehlungen/hooponopono/97/
    Ich habe es ab und zu praktiziert, mit Menschen, mit denen ich Konflikte hatte, und es hat „funktioniert“.
    Mich würde sehr interessieren, was Sie davon halten. Aus Sicht eines Pfarrers und auch überhaupt.

  2. etoile-filante 9. Mai 2010

    ich habe nie verstanden, warum das leiden im christentum so in den vordergrund gestellt wurde.

    Die liebe ist doch die zentrale botschaft und sogar Jesus hätte das leiden vermieden, wenn es zu vermeiden gewesen wäre. (lass den kelch an mir vorüber gehen…)

    In einer einfachen hölzernen kirche in den bergen habe ich mich richtig aufgehoben gefühlt und habe später entdeckt, dass kein einziges kruzifix zu sehen war…

  3. Anonymous 9. Mai 2010

    Über diesen Blog könnte ich Seiten schreiben. So viel Gedankenanstöße hast du darin verpackt. Jesus mit offenen Armen, bereit jeden zu empfangen und zu segnen. Das ist ein wunderbares Symbol für die Gemeinschaft, zu der er uns immer wieder ermutigt. Vor Gott sind alle Menschen gleich. Deine Erläuterung was Fürbitten betrifft hat mir sehr gut gefallen, jedenfalls hast du es geschafft, das ich mich damit noch mal intensiver mit diesem Thema auseinandergesetzt habe. Danke und liebe Grüße! Gabi

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