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Kein hässliches Entlein

Vorgestern habe ich Ihnen ja von meinen Entchen und mir erzählt. Als ich den Kleinen erzählte, dass wir jetzt doch nicht zum Binger Loch schwimmen, ging es ihnen so schlecht, dass ich mich als Seelsorger betätigen musste.

Ich konnte meine Kleinen gut verstehen. Ich hatte es ihnen nie gesagt, aber irgendwie haben sie gespürt, dass ich von ihnen erwarte, dass sie mindestens bis zum Mäuseturm kommen. Vor allem aber, dass sie hübsch einträchtig bleiben.

Sie wussten, dass ich mächtig stolz wäre, wenn ich dann hier bloggen könnte, dass ich mit meinen Entchen bis zum Mäuseturm und – wer weiß – vielleicht sogar bis zur Loreley gekommen wäre.

„Ihr seid doch nicht auf der Welt, um mir zu gefallen“, sagte ich ihnen, und: „Ich finde es toll, wenn ihr eure eigenen Ziele findet“. Das reichte. Sofort stoben sie davon. Schwammen nicht nur, sondern flogen sogar. Das hatten sie vorher nie gemacht.

Nur Quanda blieb zurück. Ich merkte, dass sie etwas auf dem Herzen hatte. Quanda ist das blaue Entchen, das immer in die andere Richtung schwimmt und sogar meistens umkippt, wenn ich sie in die Wanne setze.

„Du hast etwas auf dem Herzen, Quanda“, sagte ich. Unnd da sprudelte es nur so heraus aus ihr, unter Tränen. Sie erzählte, dass sie, weil sie so blau und häßlich aussah,gebissen wurde, gestoßen und zum besten gehalten, und das sowohl von den Enten wie von den Hühnern.

»Es ist zu groß,« sagten sie allesamt, und unser Hahn, welcher mit Sporen zur Welt gekommen war und deshalb glaubte, daß er Kaiser sei, blies sich wie ein Fahrzeug mit vollen Segeln auf, ging gerade auf Quanda los, und dann kollerte er und wurde ganz rot am Kopfe.

Das arme Entlein wußte weder, wo es stehen noch gehen sollte; es war betrübt, weil es häßlich aussah und vom ganzen Entenhofe verspottet wurde.

Dann erzählte Quanda mir, dass sie in die weite Welt hinausschwimmen wollte.

„!Du wirst doch wohl nicht klüger sein wollen als die Katze und meine Frau, mich will ich nicht erwähnen!“sagte ich zu ihr. „Bilde Dir nichts ein, Kind, und danke Deinem lieben Schöpfer für all‘ das Gute, das man Dir erwiesen! Bist Du nicht in eine warme Stube gekommen und hast einen Umgang, von dem Du etwas lernen kannst? Aber Du bist ein Schwätzer, und es ist nicht erfreulich, mit Dir umzugehen. Mir kannst Du glauben, ich meine es gut mit Dir, ich sage Dir Unannehmlichkeiten, und daran kann man seine wahren Freunde erkennen! Sieh zu, daß Du Eier legen oder spinnen und Funken sprühen lernst!«

»Ich glaube, ich gehe hinaus in die weite Welt!« sagte Quanda. »Na, dann thue das!« sagte ich.
Quanda konnte auf einmal seine Flügel schwingen, sie brausten stärker als früher und trugen es kräftig davon; und ehe dasselbe es recht wußte, befand es sich in einem großen Garten, wo die Äpfelbäume in Blüte standen, wo der Flieder duftete und seine langen, grünen Zweige gerade bis zu den gekrümmten Kanälen hinunter neigte. O, hier war es schön und frühlingsfrisch!

Gerade vorn aus dem Dickicht kamen drei prächtige weiße Schwäne; sie brausten mit den Federn und schwammen leicht auf dem Wasser. „Sie werden mich totschlagen, da ich so häßlich bin“, dachte Quanda.

»Tötet mich nur!« sagte das arme Tier und neigte seinen Kopf der Wasserfläche zu und erwartete den Tod. Aber was erblickte es in dem klaren Wasser? Es sah sein eigenes Bild unter sich, das kein plumper, schwarzgrauer Vogel mehr, häßlich und garstig, sondern selbst ein Schwan war.

Die großen Schwäne umschwammen es und streichelten es mit dem Schnabel. Es schadet nichts, in einem Entenhofe geboren zu sein, wenn man nur in einem Schwanenei gelegen hat.
An den Teich kamen da einige kleine Kinder, die warfen Brot und Korn in das Wasser, und das kleinste rief: »Die neue ist fieschönste, so jung und so prächtig!«

Quanda fühlte sich beschämt und steckte den Kopf unter ihre Flügel; sie wußte selbst nicht, was sie beginnen sollte, sie war allzu glücklich, aber durchaus nicht stolz; denn ein gutes Herz wird nie stolz!

Aus vollem Herzen jubelte sie: »So viel Glück habe ich mir nicht träumen lassen, als ich noch das häßliche Entlein war!«

Später vertraute sie mir an, dass sie etwas falsch verstanden habe. Immer, wenn ich sagte: „Gott hat dich unendlich lieb“, hat sie verstanden „Gott hat dich nur un-entlich lieb“.

Heute, am 4. August, vor 135 Jahren starb Hans Christian Andersen, dem wir – unter anderem – das Märchen vom Hässlichen Entlein verdanken, einem von ihm erfundenen Kunstmärchen.

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