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Heile du mich

Liebe Gemeinde, liebe Psychiatrieerfahrene, aus welcher Perspektive auch immer,

Denkt man im Zusammenhang mit dem Wort „Heilen“ oder mit „Heilung“ an die Bibel, so fällt einem wohl zuerst das Neue Testament mit den vielen Erzählungen ein, wie Jesus Menschen heilt.

Unser Bibelwort aber steht in der hebräischen Bibel, dem Alten Testament und Jeremia, der betet „Heile du mich, Herr, so werde ich heil“, der ist – zumindest im landläufigen Sinne – nicht krank.

Trotzdem betet er darum, heil zu werden, betet darum, dass Gott ihm hilft. Heil werden muss wohl nichts mit Krankheit zu tun haben. Ja, Heil sein im Biblischen Sinne ist etwas anderes als Gesund sein.

Jeremia leidet, weil Gott nicht eingreift. Wenn man so will: Jeremia ist krank aus Glauben. Er leidet, weil Gott nicht eingreift. Wie kann einer krank aus Glauben sein?

Die Heilungsgeschichten des Neuen Testamentes stellen wir oft und gerne nahe neben die Glaubensgeschichten des Neuen Testamentes. Die Gleichung liegt nahe Krankheit = Unglaube, Glaube = Gesundheit. Aber wie kann einer aus Glaube krank sein.

Jeremia leidet zutiefst an Gott. Er vertraut auf Gott und er leidet darunter, dass Er, Gott, schweigt. Dass Er, Gott, sich zurückzieht, dass ER, Gott, scheinbar machtlos ist.

Es scheint paradox, aber es gehört ein tiefer Gottesglaube dazu, auszuhalten, dass Er, der Allmächtige, ohnmächtig scheint, Er, der Allgegenwärtige sich verbirgt und Er der Allwissende, schweigt.

Es gehört ein tiefer Gottesglaube dazu, mit Gott zu hadern. Die Psalmen sind voll davon. Verzweifelt wird da bisweilen gebeten: Warum bist du ferne von mir.

Jeremia betet trotzdem ?Heile du mich, Herr, so werde ich heil?. Für ihn steht fest, dass allein Gott ihn heil machen kann, dass allein Gott ihm helfen kann.

Wenn wir diesen Glauben des Jeremia auf unser Leben anwenden, heißt das mit Martin Luther: Mit unserer Macht ist nichts getan.

Mit unserer eigenen nicht und der der Fachleute nicht. Gibt Gott nicht seinen Segen zu etwas, so wird es nicht gelingen. Ohne Gottes Segen werden wir nicht gesund und schon gar nicht heil.

 

Die Fachleute unter uns – für was auch immer – sind vielleicht skeptisch. Was ist denn mit uns? Ist es nicht wichtig, dass wir professionelle Arbeit leisten, dass wir hervorragend ausgebildet sind, dass wir unser Bestes geben?

Es liegt kein Widerspruch zwischen diesen beiden Standpunkten. Denn Gott – liebe Gemeinde, das heißt immer, bei all dem was ich von Gott zu wissen glaube – Gott handelt  nur selten an den Fachleuten vorbei. Durch ihre Fachkenntnisse handelt Gott. Nur ganz selten einmal handelt Gott trotz Ihnen.

Aber, liebe Gemeinde, nun gilt es innezuhalten und zu akzeptieren: der Umkehrschluss gilt nicht. Gott verspricht nicht, dass wir gesund werden. 

Wenn wir die Welt ansehen, sehen wir die Vielfalt von Gottes Schöpfung. Gott schuf Menschen mit Behinderung und Menschen, die ohne offensichtliche Behinderung leben. Er schuf gesunde Menschen und er schuf kranke Menschen – und nicht wahr, selbstverständlich schließt  das ein, dass wer gesund ist, krank werden kann und wer krank ist, nicht krank bleiben muss – aber wir wissen eben auch, es gibt unheilbare, jedenfalls nach menschlichem Ermessen unheilbare Krankheiten. Der eine ist von Gott genauso gewollt wie der andere.

Warum tut Gott das? Ich könnte Antworten versuchen, aber ich muss Ihnen gestehen: ich weiß die Antwort nicht. Gott verbirgt sich vor uns in vielem was er tut und alles was wir von Gott zu wissen glauben, ist vorläufig.

Gott verspricht uns nicht, gesund zu bleiben oder zu werden, sondern heil zu werden. Er will uns erfülltes, intaktes und glückliches Leben nach Geist, Leib und Seele schenken.

Wo er Menschen aus der Gottesferne ruft und sie seinen Ruf hören, da erfüllt sich bisweilen etwas davon. Wo Gott Menschen zueinander schickt, die einander beistehen, sich helfen, sich beraten und trösten, vielleicht miteinander und füreinander beten, wird bisweilen davon etwas wahr.

Aber selbst das hat uns Gott für dieses Leben nicht versprochen. Menschen leben damit, dass sie seit Adam und Eva immer nur ein Abbild dessen  sind, was sie sein könnten. Deshalb beten wir „und vollende dein Werk an uns in Ewigkeit“.

Zum Schluss möchte ich Ihnen eine Geschichte erzählen. Ich fand sie in der Bibel und Sie kennen Sie wohl.

Die dabei waren, fanden das unglaublich. Da waren alle zusammengekommen, Pharisäer, Schriftgelehrte, das ganze Volk, weil sich herumgesprochen hatte, dass da einer heilte und predigte.

Ich stelle mir vor, dass das ganz unterschiedliche Leute gewesen sind, manche, die nur darauf warteten, ihm den faulen Zauber nachweisen zu können, andere die es überall dahin zieht, wo es etwas zu sehen gibt. Aber manche werden dabei gewesen sein, die waren einfach da, weil sie nicht mehr weiter wussten. Weil sie krank waren und auf Hilfe hofften, weil sie einsam waren und unter Menschen sein wollten, sich elend fühlten und nicht wussten, was Ihnen fehlte.

Dann geschah das, was die Leute später „unglaublich“ nannte. „Paradox“ steht da zu einzigen Mal in der griechischen Bibel.

Das Unglaubliche war, dass da welche kamen, die nicht wegen sich selbst kamen, sie wollten nichts geboten bekommen. Sie kamen mit ihrem Freund, den sie trugen, weil er gelähmt war. Sie versuchen durch die Menge durchzukommen, aber sie schaffen es nicht.

Ich kann mir das gut vorstellen: die Menschen in der Menge werden böse geguckt haben. Wir können Behinderte akzeptieren – aber sie dürfen nicht zu aufdringlich sein. Bescheiden und zurückhaltend sollten sie sein. Nicht so wie die hier: sich auch noch vordrängeln wollen im Rollstuhl oder im Swimmingpool des Hotels gickeln und lärmen. Wie die hier auf der Tragbahre mitten durch, wo doch alle etwas sehen wollen – das ist aufdringlich und stößt ab.

Als sie nicht durchkommen, beweisen sie Witz und Phantasie. Da steigen sie aufs Dach und kommen von oben. Ihren Freund seilen sie von oben einfach ab. Jesus wird gestaunt und gelacht haben. Wer solche Freunde hat, hat es gut.

Ernst Klee schrieb einmal in seinem Behinderten Report: „Nicht das Mitleid tötet, sondern dass man es als Anmaßung empfindet, so wie die anderen sein zu wollen.“

Das war den Leuten, die das sahen, unglaublich. Denn noch mehr als bei uns bewirkte Krankheit oder Behinderung Isolation. Noch mehr als bei uns galten sie als Strafe Gottes.

Wir erinnern uns, erst mit Jesus änderte sich da etwas. Noch er wurde angesichts eines Blinden gefragt: Meister, wer hat gesündigt, er oder seine Eltern ? und erst er wehrt die Frage ab. Nein, Krankheit ist keine Strafe Gottes.

Wer krank war, von dem hatte Gott seine Hand abgezogen, so dachten die Menschen und da gilt es sich auch zu verziehen.

In all den Psalmen und Klageliedern des Alten Testamentes tönt deshalb die Klage des Verlassenseins. Meine Freunde und Genossen stehen abseits und meine Nächsten halten sich ferne.

Für den hier gilt das nicht, der hat Freunde, die ihn tragen, die ihn mit ihrer Fantasie hochheben und vor Jesus bringen. Für seine Freunde zählt nicht Krankheit und Lähmung, spielt es keine Rolle, wer er vorher war.

Und jetzt, liebe Gemeinde, hören Sie genau hin:

Jesus – als er ihren Glauben sah, sagte er zu ihm: „Mensch, deine Sünden sind dir vergeben.“

Als er ihren Glauben sah, sind seine Sünden vergeben. So war Jesus begeistert von dem, was er sah, dass er ihm ihren Glauben angerechnet hat.

Nicht wahr, genau so hätte er hochrufen können: und euch da oben sind eure Sünden auch vergeben. Das hätten sie genauso gebraucht. Da macht es keinen Unterschied, ob einer krank ist oder behindert oder nicht. Die Sünden vergeben zu bekommen, vor Gott heil gesprochen zu werden, das brauchen alle, der Arzt genauso wie der Pfleger und wie der Gelähmte und wie der Irre.

Stellvertretend für alle lag da einer aus ihrer Mitte. Was ihm fehlte war eigentlich nur noch ein Zeichen, ein Siegel, dessen was vorher geschehen war, ein Zeichen. Du bist gesund ? gesünder als die vielen Gesunden ringsum.

Und so vergibt Jesus ihm seine Sünden. Er wiederholt, was seine Freunde vorher schon getan hatten: er vergibt seine Sünden, rechnet nicht an, was vorher war, rechnet nicht ab Schuld, Versagen, Krankheit.

Jesus wiederholt vor aller Augen noch einmal, was diese getan hatten. Dass alle sehen können. Der wurde angenommen, wie er ist, Dem wurde nicht angekreidet, was vorher war. Das ist geschehen, das geschieht nicht erst am Jüngsten Tag, sondern mitten unter uns.

Zuallererst ist diese Geschichte eine Geschichte des Sündenvergebens. Jesus kann Sünden vergeben, Jesus kann dich wieder eins machen mit dir selbst und mit Gott.

Sie wissen, die Geschichte hat ein kleines Nachspiel und wir tun manchmal so, als sei das die Hauptsache. Aber hören Sie einmal hinein in die Geschichte.

Zum Beweis, dass da Unglaubliches geschehen ist, heilt Jesus auch noch die Lähmung. Nur zum Beweis. Weil da einige waren, die bezweifelten, dass das geht, die bezweifelten, dass Jesus das kann, Sünden vergeben, sagt er: Steh auf und geh.

Nicht etwa, weil nur das dem Gelähmten geholfen hätte ? dem war schon längst geholfen, sondern zu Beweis, dass ihm schon längst geholfen war,

Entschieden Neues hatte angefangen. Die Sünden eines Menschen konnten vergeben werden, er konnte Freunde haben trotz Krankheit und Lähmung, er konnte neu anfangen.

Der Zorn und die Aufregung der Leute entzündete sich deshalb auch nicht an die Heilung, sondern daran, dass da ein Mensch dem anderen Sünden vergibt, zuspricht, dass wir nicht gelähmt sein müssen sondern gehen können bei aller Fehlerhaftigkeit, bei allen Gebrechen.

Das regt die Leute noch heute auf, wenn da welche kommen, phantasievoll füreinander stehen, bezeugen, dass Kranke mitten ins Leben gehören, mitten in die Stadt, hinein.

Wenn da Menschen sich gegenseitig beistehen und füreinander beten, einander die Sünden vergeben und Mut machen zum Leben.

Ich wünsche dieser Ambulanz, ich wünsche dieser Klinik und ich wünsche dieser Stadt, dass das hier passiert.

Dass Gott so Menschen heilt. Dann werden sie heil. Amen

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen. Amen

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