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Prag-Impressionen III

Heute hat es zum ersten Mal nicht geregnet. Und warum nicht? Weil wir heute unsere 6-stündige Tour durch Prag hatten und ich Petrus inständig gebeten hatte, schönes Wetter zu schicken. Und er hat’s getan.

Die Tour habe ich gestern telefonisch bei der Agentur gebucht, die uns auch vom Flughafen abholt. Auch heute steht um halb elf wieder ein netter Taxifahrer vor der Hotelrezeption und bringt uns zum Treffpunkt in der Altstadt. Gut, das wären 10 Minuten zu Fuß gewesen, aber schließlich ist es im Preis enthalten.

Das ganze soll für 6 Stunden Führung einschließlich Abholen per Taxi, Mittagessen und Getränk, Straßenbahnfahrt zur Burg und Schifffahrt auf der Moldau, wiederum mit einem Bier und einem Eis, 770 Kronen kosten, knapp 32 € pro Person. Das halte ich für angemessen und wie sich herausstellt, ist die Führung den Preis auch wert.

Allerdings auf Englisch. In Deutsch hätte es das Doppelte gekostet und so haben sich meine Liebste und ich – auf Deutsch natürlich – verständigt, dass unser Englisch hervorragend ist und wir sicher mühelos folgen können. Jetzt ganz ohne Quatsch, das konnten wir auch.

Altstädter Rathaus

Kaum hat uns der nette Taxifahrer am Rathaus abgesetzt, kommt mein routinemäßiger Griff zum Telefon, ob mein gutes Stück noch da ist, dann zum Portemonnaie, ob es noch da ist. Andere Routinegriffe erspare ich mir. Das sind die beiden wichtigsten Dinge zum Überleben in der fremden Stadt. Einmal abgesehen von der Liebsten, aber die habe ich ja an der Hand.

Nur zu dumm, dass ich diesen routinemäßigen Griff immer zu spät ausführe. Vor vierzehn Tagen habe ich erst einen Riesenschock bekommen, weil das Telefon weg war. Smartphone wohlgemerkt vom Feinsten. Habs aber wiederbekommen. Und vor ein paar Monaten wars schon mal weg, vier Wochen nachdem ichs gekauft habe. Habs aber wiederbekommen.

Heute bekomme ich es auch wieder. Nachdem ich bei der freundlichen Dame von der Agentur angerufen habe, die wiederum den Taxifahrer angerufen hat, ist er ein paar Minuten später da und bringt mir lächelnd mein Handy.

„Du bist zwar dumm, aber du bist ein Glückspilz“, meint meine Liebste in ihrer unglaublich zärtlichen Art und gibt mir einen Kuss. Was sie mit dumm meint in dem Fall, weiß ich nicht. Vielleicht fehlen mir ein paar lebenspraktische Fähigkeiten, aber die gleicht der Herrgott immer wieder aus. Fast.

Die Apostel gucken raus

Alles hat ja seine zwei Seiten und der große Vorteil an diesem kleinen Erlebnis ist, dass wir heute auch einmal die Apostel aus ihrem Fensterchen gucken sehen.

Dana ist eine nette junge Frau. Wir sind heute die einzigen, die sie führt. Sie spricht gutes Englisch, das wir wirklich einwandfrei verstehen können. Sie erzählt uns viel von Prag und auch ein wenig von ihrem Leben. Nein, Kinder hat sie keine. Sie wüsste auch gar nicht, wie sie die finanzieren sollte. Gut, andere machen das auch, aber sie wisse wirklich nicht wie.

Sie zeigt uns einen Zeitungsartikel, der Preisvergleiche anstellt. Die meisten Dinge sind in Prag teurer als bei uns. „Außer Bier“ lacht sie.

Pulverturm

Der erste Teil der Führung geht durch die Altstadt. Die Sehenswürdigkeiten, die sie uns zeigt, haben wir meist schon gesehen, aber sie führt uns durch interessante Seitengässchen und ganz nebenbei gibt sie uns einen Gesamtabriss der Geschichte Prags.

Café Orient
Café Orient

Das „Grand Cafe Orient“ ist eines der bekanntesten Kaffeehäuser Europas, nicht nur wegen seines köstlichen Kaffees, sondern besonders wegen der kubistischen Architektur, die es nur in Prag gibt. Wer genau hinsieht, erkennt in der rechten Ecke die Statue der Schwarzen Mutter Gottes. Nach ihr ist das Haus benannt, sie war schon Hauszeichen an dem barocken Bau, der früher hier stand.

Wir gehen vom Rathausring nordöstlich in die Josefstadt, das (ehemalige) jüdische Viertel Prags. Bis 1852 bestand hier ein Zwangsghetto, das aufgelöst wurde, nachdem das Toleranzedikt von Joseph II die Religionsfreiheit verkündet und den Juden die bürgerlichen Rechte gewährt hatte. Nach ihm wurde das Viertel dann Josefstadt benannt. Nach 1900 wurden fast alle alten Häuser abgerissen, nur die Synagogen blieben aufgrund von Bürgerprotesten stehen. Nach dem Vorbild von Paris wurden breite Straßen mir prachtvollen Jugendstilgebäuden errichtet.

Pariser Straße
Pariser Straße
Hauserker

In Prag gibt es fünf Synagogen, die Pinkas-Synagoge hatten wir gestern schon gesehen und durch eine Mauerluke einen Blich auf den angrenzenden Alten Jüdischen Friedhof werfen können. Wegen der Pessachtage war alles geschlossen.

Die Spanische Synagoge liegt am östlichen Rand des Viertels. Sie erinnert wegen ihrer maurischen Architektur fast an eine Moschee.

Spanische Synagoge
Spanische Synagoge

Die Altneu-Synagoge stammt aus dem 13. Jahrhundert und ist die älteste erhaltene Synagoge Europas. Direkt neben ihr liegt das Jüdische Rathaus.

Die Altneu-Synagoge
Rechts das Jüdische Rathaus
Maisel-Synagoge

Im Kellergewölbe eines kleinen Restaurants essen wir zu Mittag. Dana ist sehr überrascht, dass es auch in Deutschland Gulasch gibt und das sogar schon seit Generationen. Dazu trinken wir natürlich Bier, warum vergesse ich nur immer die Namen? Pilsner Urquell gibt es zwar überall, aber es ist nicht das Beste der unzähligen einheimischen Biersorten.

Mit der Straßenbahn fahren wir hoch zur Burg. „Die größte Burganlage der Welt“, erzählt Dana, seit dem 9. Jahrhundert immer wieder aus- und angebaut. Und bis heute Sitz des Präsidenten.

Die Burg auf dem Hradschin
Wachablösung
Wachablösung
Goldene Pforte
Goldene Pforte

Ein langer Rundgang um Burg und Dom. Zwischendurch will Dana mit uns das beste Eis Prags essen, aber leider hat das Cafe das Eis noch nicht, erst in ein paar Minuten. Weshalb auch immer. Aber die Liebste kommt wenigstens zu ihrem Trdlo, der Hefegebäckspirale, die hier überall an den Ständen gebacken wird. Sehr süß, aber sie mag es so.

Durch die Weinberge gehen wir wieder hinunter zur Moldau. In einem kleinen Park schreien Pfaue und schlagen Rad.

Blick aus den Weinbergen

Unten bringt uns Dana zu einem kleinen Boot, das uns hinüber ans andere Ufer zum größeren kleinen Boot bringen soll. Kaum sind wir losgefahren, fuchtelt am Ufer aufgeregt ein Mann in Matrosenuniform, wir sollten zurückkommen. Unser Kapitän fährt noch einmal zum Ufer zurück. Ein aufgeregter Disput zwischen Dana und dem Schwarzen, der uns zurückgerufen hat. Unser Kapitän bleibt gelassen und lächelt nur manchmal.

Wir verstehen nichts, aber später erklärt Dana, der Schwarze habe zunächst behauptet, wir hätten keine Karten. Die hatten wir auch nicht, weil sie nur ein Voucher hatte, was an der anderen Seite eingelöst wird. Der Kapitän lächelt, das sei doch klar. Aber, erklärt Dana, es gebe einen Streit zwischen der schwarzen Fraktion und der weißen Fraktion. Die schwarze Fraktion wolle, das bei ihr die Karten gekauft werden, was der weißen Fraktion aber egal sei. Schließlich sagt der von der schwarzen Frakion, er habe ja nur die Karten sehen wollen und wir können weiterfahren.

Der junge Mann auf dem großen kleinen Boot erklärt in einem traumhaft radebrechenden Deutsch, das wirklich wie das vom braven Soldaten Schweijk klingt, was man so rechts und links der Moldau sieht.

„Kennen Sie Deggendorf?“ fragt er, „da habe ich ein Jahr studiert“. Der eine Turm der Kathedrale der Prager Turm sei höher als der andere. Das sei symbolisch für Adam und Eva, wie die Türme heißen. Der Mann sei größer als die Frau. Aber heute sei das umgekehrt. Ein kluger junger Mann.

Bootsfahrt

Unter dem Brückenbogen der nicht mehr existenten Judithbrücke beginnt die Rundfahrt.

Moldau-Arm
Kleiner Seitenarm
Kleiner Seitenarm

Sogar am Eiffelturm kommen wir vorbei.

Aussichtsturm Petřín
Auf der Moldau

Zufrieden kehren wir in unser Hotel zurück, legen uns um halb sechs für einen Mittagsschlaf ins Bett. Und jetzt sitze ich in der Lobby bei einem Glas Wein, schreibe Ihnen vom Tag und muss dringendstens zur Liebsten zurück.

Ahoi bis morgen. Ohne Spaß, so grüßt man sich in Prag. Ehrenwort. Nicht nur die Matrosen.

Prag

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