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Ich kenne das Leben – bin im Kino gewesen

Gestern mal wieder nach längerer Zeit im Kino gewesen:
„Die Friseuse“.

Vor kurzem habe ich erst erfahren, dass man Friseuse gar nicht mehr sagt, das sei diskrimierend. Ich weiß zwar nicht, weshalb. Aber bitte. Dabei gehe ich seit Jahren zu einer der angesagtesten Friseurinnen unserer Stadt. Kann ich mir leisten, weil ich nur alle 3 Monate hingehe.

Kathi ist Friseuse und will es unbedingt sein.

Aber sie ist viel zu dick. „Unästhetisch“, deshalb findet sie keine Stelle in einem Beruf, bei dem es um Ästhetik gibt.

Und zugegeben: die Nacktszenen, die man zu sehen bekommt, finde ich wirklich nicht ästhetisch. Übrigens den beim Rasierenden onanierenden Alten im Altenheim auch nicht.

Ich tauche ein in fremde Welten.

Die Welt der Plattensiedlung Marzahn. Die Welt der von einem schmierig-sympathischen Joe nach Berlin geschleusten Vietnamesen. Die Welt einer alleinerziehenden Mutter mit ihrer pubertierenden Tochter.

So, wie sie da gezeigt werden, sind die Welten natürlich nicht.

Aber was wäre das für ein langweiliges Kino, das nur traurige Realität abbilden würde.

„Die Friseuse“ zeigt einen bunten Blick in den grauen Alltag. Farbenfroh und mit der Botschaft: Mach’s Beste draus, Du schaffst das.

Ein wohltuender Film.

Kurt Marti, Schweizer Dichter und Theologe, schrieb:
Wer kennt schon die Not eines überaus dicken Mädchens?

wer kennt schon
die not eines überaus dicken mädchens?

man sagt:
nun ja – doch sie hat ein gutes herz

stets braucht die gesellschaft
dicke mädchen mit guten herzen
in heimen, spitälern kantinen
in fabriken geschäften büros

doch manchmal
möchten auch ihre herzen
verrückt und geliebt
statt immer nur gut sein

dann träumen sie liebe
in wetterleuchtenden farben
liebkosen den einsamen körper
abends im traurigen bett
mit den fühlsamen händen
des zärtlich erdachten freunds

später verschließen sie
solche träume tief in ihre enttäuschung
und versuchen so tapfer als möglich
gut und gütig zu bleiben
statt böse und bitter zu werden.

doch wer kennt schon
die heimlichen kämpfe
der überaus dicken mädchen
die man zur rolle bestimmt hat
gut und selbstlos zu sein?

ach wäre ein gott
ach wäre ein gott
der fleisch wird im fleisch
eines überaus dicken mädchens

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3 Kommentare

  1. EJPfrin 17. Mai 2010

    Ich war auch in dem Film. Einfach nur schön. Witzig. Traurig. Anrührend. Poetisch. Kraftvoll. Doris Dörrie halt :).

  2. Anubis 17. Mai 2010

    Ja, DEN Film wollte ich sowieso auch gern sehen… jetzt noch mehr.

    Und schon wieder entdecke ich Gemeinsamkeiten im Bücherregal: Kurt Marti ist auch in meinem Bestand zu finden, und das Gedicht vom dicken Mädchen mochte ich schon beim ersten Lesen.

  3. Anonymous 17. Mai 2010

    cool…werde mir auf jedem Fall anschauen 🙂

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