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Die Würde des Menschen ist antastbar

Gemeine Diebe haben vor ein paar Jahren die „Kunst am Bau“ (im wahrsten Sinne des Wortes, am Justizgebäude in Frankfurt) einfach abgeschraubt und gestohlen:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“

Später fand man sie, versenkt in einen Baggersee wieder. Jetzt ist sie wieder unantastbar.

Versenken hin, versenken her. Die Würde des Menschen ist nach unserem Grundgesetz das höchste Gut überhaupt. Ja es gilt sogar:

Sie zu achten und zu schützen ist
Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Grundgesetz Art. 1, Abs.1 (2)

Vielleicht muss ich das Pferd jetzt einmal andersherum aufsäumen, um nicht missverstanden zu werden.

In islamischen Ländern wird die Menschenwürde nicht nur angetastet, sondern oft mit Füßen getreten. Ich bin auch nicht bereit, das unter Verweis auf die andere Kultur zu relativieren.

Und im Zweifelsfall haben „Ungläubige“ dort gelitten und bekommen schon mal die Hände abgehackt, wie Gläubige natürlich auch.

Was also hat dieser Verweis auf die Menschenwürde, die nicht angetastet werden darf, in meinen Überlegungen zum Karikaturenstreit zu suchen?

„Religion“ – das ist für religiöse Menschen der innerste Kern des Menschen überhaupt. Wenn irgendwo die Würde des Menschen ihren Sitz hat, dann – für einen religiösen Menschen – im Glauben an seinen Gott, der ihn „gottesebenbildlich“, wie wir Christen das ausdrücken, geschaffen hat.

Nebenbei: das haben wir natürlich aus dem jüdischen Glauben gelernt und geschichtlich ist das wohl der Ursprung der Idee der Menschenwürde überhaupt.

Ich verstehe, dass es Menschen, die „Religion“ eher als etwas ansehen, was man frei wählen und abwählen kann, wo man sich das Beste aus Buddhismus, Hínduismus, Marxismus oder Satanismus heraussuchen kann und seinen persönlichen Mix herstellen kann, etwas befremdlich erscheinen mag.

Befremdlich mag es einem dann auch vorkommen, dass Muslime möglicherweise schlimmer als körperliche Folter empfinden, wenn in Guantánamo oder sonstwo der Koran zerrissen und im Klo heruntergespült wird.

Evangelische Christen erinnnern sich selbst freilich immer wieder daran, dass der Glaube (wenn Sie so wollen, die Religion) die letzte Mitte der Person bildet:

Nehmen sie den Leib,
Gut, Ehr, Kind und Weib,
Laß fahren dahin,
Sie habens kein Gewinn,
Das Reich muß uns doch bleiben

Martin Luther, Ein feste Burg ist unser Gott

Harald Müller hat in der FR dazu für mich erhellendes geschrieben:

Für den religiösen Menschen ist sein Glaube Teil der persönlichen Identität. Wird der Glaube beleidigt, so trifft das nicht etwas dem Menschen Äußeres, sondern ihn selbst, seine Würde und seine Seele. Ich selbst habe schon unter den teils gedankenlosen, teils bösartigen Blasphemien gelitten, mit denen manche Leute ihren Hohn und Spott über den christlichen Glauben ausgießen. Im historischen Werdegang unserer Kultur haben wir indes die Menschenwürde der Meinungsfreiheit untergeordnet, soweit das Religiöse betroffen ist. Wir haben die Fiktion geschaffen, dass Menschen nicht religiös „sind“ sondern Religion „haben“, dass Menschenwürde von Schmähungen gegen die Glaubensinhalte nicht betroffen sei. Gegenüber der Blasphemie sind die Christenmenschen daher stille Dulder geworden. Das hat vermutlich weniger mit dem Duldercharakter des Christentums an sich zu tun (das in früher ja keine Skrupel hatte, Abweichler gnadenlos auf den Scheiterhaufen zu stellen), sondern mit dem immensen historischen Trauma, das die Religionskriege am Ausgang der Neuzeit für Westeuropa bedeuteten. Die Aufklärung ist aus einem Meer von Blut geboren, aus einem grausigen Massenschlachten, das Katholiken und Protestanten aneinander vollzogen. Das „Nie Wieder“, das dieser Periode folgte, leitete die Trennung von Religion und Menschenwürde ein. Heute meinen unsere Gesellschaften, anders ginge es gar nicht.

Anderswo jedoch sind Menschenwürde und Religion verschmolzen, und der in seiner Religion beleidigte Mensch wehrt sich und verlangt die Bestrafung der Urheber. Das ist bei den Moslems (aber nicht nur bei ihnen) der Fall. Die dänische Zeitung, die mit Bedacht und Bosheit diese Beleidigung in die Welt gesetzt hat, gehört dem äußerst rechten Spektrum an. Sie zielte auf die Herabsetzung einer ganzen Gruppe von Menschen ab und konnte die Reaktionen durchaus vorhersehen; vermutlich waren die sogar gewollt, um die anti-moslemische Polarisierung in Dänemark voranzubringen. Die Redaktionen, die sich für den Nachdruck entschieden, hatten Kenntnis von den Reaktionen und gossen bewusst Öl ins Feuer. Dass diese Schreibtischtäter sich dann noch die Mantra der Verteidigung westlicher Freiheit umhängen und gar noch daran glauben, macht die Sache noch ekelhafter. …
Harald Müller, Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung
in der Frankfurter Rundschau, 11.02.06

Dieser Beitrag ist Teil II von
Meine Sicht der Dinge: Der Karikaturenstreit

Mehr dazu demnächst im Teil 3: „Wir leben auf einem Pulverfass“

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