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Wie kommt die Gurke an den Weihnachtsbaum? – Predigt zum 1. Weihnachtstag

Was hängt denn bei Ihnen am Weihnachtsbaum? Vielleicht haben Sie ja keinen Weihnachtsbaum.

Mag sein, dass der Aufwand zu groß geworden ist, wenn die Kinder erst einmal aus dem Haus sind…

Wir haben einen ganz Kleinen, einen, der gerade groß genug ist, dass er aus dem Garten reinkommen durfte. 6 Kerzen passen gerade mal dran und ein paar silberne Kugeln, mehr nicht. Eine Gurke hängt da nicht dran.

Als ich Kind war, hingen an unserem Baum nicht nur Kugeln. Viel wichtiger waren die Süßigkeiten, die da hingen. Schokoladezapfen oder Geleefrüchte, kleine kunstvoll verpackte Schokoladetäfelchen.

Und wir Kinder durften uns dann welche vom Baum holen. Aber erst abends, wenn das Christkind geläutet hatte. Solange war das Wohnzimmer an diesem Tag versperrt.

Unter dem Baum lagen die Geschenke und wir Kinder trugen unsere Geschenke auch zum Baum. Dann stellten wir uns in einem Halbkreis um den Baum herum und während wir Weihnachtslieder sangen, wanderten unsere Blicke bereits zum Baum und zu den Pakten, die darunterlagen.

Immer stand da auch ein Paket von Oma und Opa. Das war mit der Post gekommen und wurde erst unterm Baum ausgepackt und die Geschenke verteilt. Merkwürdig, es gab Geschenke, die hatte das Christkund gebracht und es gab Geschenke, die kamen von Oma und Opa oder von den Geschwistern.

Zurück zur Gurke. Die gab es bei uns nicht.

Wenn es bei Ihnen eine Gurke am Baum gab in Ihrer Kindheit, dann können Sie zur Klärung eines Geheimnisses beitragen, das die letzten Jahre immer mal wieder vor Weihnachten in der Presse auftaucht.

In Amerika gibt es einen weitverbreiteten Brauch, dass am Weihnachtsbaum eine Gurke hängt. Irgendwo , ganz versteckt zwischen all dem bunter Lametta und Lichtern. Und das Kind, das die Gurke zuerst entdeckt, erhält ein kleines Extrageschenk. Langsam kommt dieser Brauch nun auch zu uns nach Deutschland.

Das Merkwürdige: die Amerikaner behaupten steif und fest, der Brauch komme aus Deutschland. Dort sei das so üblich. Jeder habe hier eine Gurke am Baum Aber hier weiß keiner davon. Spekulationen gibt es genug, Legenden haben sich gebildet…

Liebe Gemeinde, ich erzähle Ihnen das, weil ich mich der Gurke irgendwie verbunden fühle.

Wie komme ich unter den Weihnachtsbaum? Wie kommt eine Gurke wie ich an die Krippe?

Nicht nur mein Turnlehrer hat das bisweilen zu mir gesagt: „Mensch, Pohl, was bist du für eine Gurke“ – manchmal habe ich mir das als Kind selbst gesagt. Und ehrlich gesagt: manchmal denke ich das heute noch.

Nicht, dass ich besondere Minderwertigkeitskomplexe hätte. Gut, ein bisschen klein geraten für mein Gewicht, einen dicken Bauch, einen kleinen Hang zum Zynismus, aber den lasse ich heute nicht mehr so raus. Sportlich bin ich nicht und singen kann ich auch nicht.

Aber um all das geht es nicht. Es geht darum, dass ich ein durch und durch unvollkommener Mensch bin, eine Gurke sozusagen.

Dabei hat mich mein Schöpfer so viel besser gedacht. Er hat mir eine lebendige Seele eingehaucht. Mich mit Lebensfreude, mit Wahrhaftigkeit und Barmherzigkeit ausgestattet. Ein Herz gegeben, das Liebe verströmen könnte. Augen gegeben, die wirklich sehen könnten, Ohren, die wirklich hören…

Verstehen Sie mich recht, ich bin kein schlechter Mensch. Aber ich bin auch kein guter Mensch.

Immer wieder denke und tue ich Dinge, für die ich mich bei Licht besehen, schämen sollte. Keine Angst, ich erzähle sie ihnen jetzt nicht. Aber Gott kennt sie. Manchmal frage ich mich, wie werde ich dastehen vor Gott?

Und da kommt dieses Bibelwort heute als Weihnachtsbotschaft. Klingt wie ein ganz und gar unweihnachtlicher Text und steckt so voller Weihnachtsbotschaft:

Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch!

Wir sind Gottes Kinder – selbst Gurken wie mich zählt Gott zu seinen Kindern.

Das ist die Weihnachtsbotschaft des Johannes an uns. Nun – „Gottes Kinder“, was heißt denn das. Mancher mag das gar nicht mehr hören. Ich bin doch kein Kind, irgendwie fühl ich mich kleingemacht. So wie mancher das Bild von den Schafen nicht hören kann. Ich bin doch kein Schaf…

Aber Johannes meint das mit den Kinder Gottes sehr ernst.

Gottes Kinder heißen, das meint er im Sinne von: ab jetzt sind wir „zu ihm gehörig“, ja noch weiter „vollmächtig zu ihm  gehörig“. Als Erben. Als Vermächtnis an die Welt. Oder so wie einer sich stolz auf seinen LKW schreibt: „Meier und Söhne“.

Liebe Gemeinde, einmal nebenbei. Ich habe im Internet nachgesehen, es gibt immer noch Tausende von Firmen, die sich so nennen: „… und Söhne“, aber ich habe keine einzige gefunden, die „…und Töchter“ hieß. Wie schön, dass Johannes nicht schreibt: dass wir „Gottes Söhne“ seien, sondern: „Gottes Kinder“

Aber – abgesehen davon – finde ich diesen Namen „… und Söhne“ ein schönes Bild für das, was Johannes da meint. Denn fast sieht man bei diesem Schriftzug über dem Firmenportal oder auf dem LKW doch den Stolz des Vaters mit: „und Söhne“ – „seht her: meine Kinder“ und den Stolz der Kinder: Nicht erst, wenn der Vater auf den Alterssitz gegangen ist, jetzt schon sind wir Teilhaber.

Und in diesem „und Söhne“ liegt ja auch bereits eine Zukunft. Dir traue ich das zu, heißt die. Du wirst meine Sache weiter tragen.

Also tatsächlich im Sinne eines Verwandtschaftsverhältnisses meint Johannes das. Und denken wir an den Stolz und die Liebe des – sagen wir LKW Besitzers – zu seinen „…und Söhnen“, sind wir vielleicht einen Schritt näher an dem, was Johannes schreibt: Seht welch eine Liebe! Dass wir Gottes Kinder heißen dürfen.

Wir – Gottes Kinder. Denkbar ist das erst seit Jesus als Kind in der Krippe lag, also seit Gott tatsächlich in dieser Welt ein Kind hatte, ja selbst als Kind auf diese Welt kam.

„Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.“, sagen die Engel zu den Hirten. Und die Hirten lassen sich nicht zweimal bitten und sagen sich: „Lasst uns gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist …!“ Was ist daran so aufregend? Wir haben schon viele Säuglinge gesehen. Irgendwie gleichen sie sich alle: in ihrem Goldigsein, in ihrer Hilflosigkeit, in ihrem Liebreiz. Wenn sie so da liegen und aus ihrem Bettchen herausschauen. Sieht da nicht eins wie´s andere aus?!

Aufregend wird es erst, wenn wir Gott selbst liegen sehen. Und wenn wir glauben, dass er damit seinen Weg in das Leben antritt, den Weg, der seine Eltern schon am nächsten Tag in die Flucht vor dem König Herodes treibt.

Nein, dieses Jesuskind lebt ja nicht nur ein paar Stunden in der Krippe. Es ist nur deshalb so aufregend, weil er gelebt und gewirkt hat damals und bis in unsere Zeit. Geheilt und getröstet, Wunder im Leben bewirkt, damals und an uns. Und schließlich doch auch, weil er die Unmenschlichkeit des Menschen erduldet hat und gestorben ist in der Folter.

Das soll Gott sein? Johannes schreibt an eine Gemeinde, in der viele glauben, dass Gott nicht wirklich Mensch gewesen ist, sondern eine Art „Geistwesen“. Nein, Gott war Mensch, sagt ihnen Johannes.

Unser Lied zu Beginn, „Fröhlich soll mein Herze springen“, sagt das – vorhin haben wir es gesungen – noch einmal ganz anders: „Heute tritt aus seiner Kammer“ heißt es da. Das ist ein einfallsreiches Bild für Weihnachten, weil es uns das Erstaunliche mit ganz anderen Worten zeigt:

„Heute tritt aus seiner Kammer…“. Stellen wir uns Gott nur wie einen Regenten vor, der in seiner Kammer sitzt und sei es auch ein Palast, wie einen Politiker, „der nicht weiß, was los ist“ – oder sehen wir hin und sehen ihn wie Paul Gerhard als einen, der aus seiner Kammer heraus getreten ist?

Heute geht aus seiner Kammer Gottes Held,
der die Welt reißt aus allem Jammer.

Johannes geht noch weiter in seinem „Seht“, viel weiter.

„Meine Lieben“, sagt er, „wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden.“ Wir sind es schon, aber man sieht noch nicht, was wir einmal sein werden. Wir sind im Entstehen sozusagen. Wir sind noch keine fertigen Menschen. Seit Gott Mensch geworden ist, wissen wir doch, wieweit wir entfernt davon sind, Menschen zu sein.

Es ist schon etwas wahr an diesem Satz, der zu Weihnachten kursiert: „Mach es wie Gott, werde Mensch“ und es ist so schwer.

Und Johannes geht noch weiter:

Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.

Wir werden ihm gleich sein! Das ist wohl der Höhepunkt dessen, was er schreibt. Ihm gleich! Manche würden auch sagen: das ist der Gipfel!

Das ist doch der Gipfel, könnte man sagen, weil bei Bibelfesten die Alarmglocken läuten müssten: haben wir diesen Satz nicht schon einmal gehört – „Wir werden ihm gleich sein?“.

In der Tat. das war das, was die Schlange der Eva damals eingeflüstert hat: „an dem Tage, da ihr davon esset, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.“

Johannes geht davon aus, dass Menschen Gott gleich werden können. Aber es geht um zwei entgegengesetzte Absichten. Die Schlange flüstert dem Menschen ja bis heute zu: Du bist wie Gott. Du kannst alles und darfst alles. Wenn du Macht hast, darfst du über das Schicksal anderer entscheiden. Du darfst forschen, was du willst und wie du willst, du darfst Leben verlängern und beenden wie du willst, du musst dich um niemanden kümmern.

Hier bei Johannes geht es darum, dass der Mensch Gott gleich werden kann im Sinne der Teilhabe an dieser allumfassenden Liebe.

Und das sollen wir können? Wir normalen Menschen? Wir sollen fähig sein, nicht zu sündigen? Wir können es, wenn wir als unsere Sünde verstehen, uns zu ferne von Gott zu halten. Wenn wir darunter verstehen, es schaffen zu können, niemandem mehr Unrecht zu tun, keine Fehler mehr zu machen, immer auch die andere Backe hinzuhalten, dann stimmt es wohl eher nicht. Nein, wir sind noch nicht das, was wir sein werden, noch nicht vollendet, eben auf dem Weg.

Aber, und das ist für den Verfasser des ersten Johannesbriefes ganz sicher: wir sind es schon, es ist nur noch nicht offenbar. Wir sind es schon seit Weihnachten. Paul Gerhard hat dafür wieder so wunderschöne Worte gefunden:

Gottes Kind, das verbind’t
sich mit unserm Blute.

Es wird offenbar werden, das heißt, dann werden wir eine genauso innige Verbindung mit Gott haben, wie er, wenn er uns zum neuen Leben auferweckt hat. Und dieses neue Leben bricht jetzt schon an, in dem Moment, wo Gott in unsere Welt kommt und mit sich selbst verbindet, sich selbst dafür einsetzt, dass die Trennung von ihm überwunden ist.

Liebe Gemeinde, diese Werbung hatte schon irgendwie auch Recht: Unterm Weihnachtsbaum wird Weihnachten entschieden.

Weil sozusagen unter dem Weihnachtsbaum die Krippe steht, werden aus Gurken wie uns Menschen, die zu Gott gehörig sind, seine Kinder.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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